Die zweijährige, bis 1 m hohe Wegwarte (Cichorium intybus) hat kantige, sparrig verzweigte Stengel. An deren Basis befinden sich lanzettliche bis verkehrt-eiförmige, kurzgestielte Laubblätter. Sie sind unterseits behaart und haben einen gesägten bis buchtigen Rand. Nach oben hin werden die Blätter immer kleiner und sind ungestielt lanzettförmig. In allen Pflanzenteilen ist Milchsaft enthalten.
Im ersten Jahr bilden sich Wurzel und Blattrosette und im zweiten Jahr erscheinen ab Juni die hellblauen (selten auch weißen) Blüten. Sie stehen einzeln in den Blattachseln und sind nur aus Zungenblüten zusammengesetzt. Gegen Ende des Sommers entwickeln sich 2–3 mm lange, kantige Schließfrüchte (Achänen) mit kurzen Pappusschuppen. Damit können sie sich an Tieren festhaften und werden – neben Windflug – auf diese Weise weit verbreitet. Die Pflanze verweilt mehrere Jahre an ihrem Standort und bildet als Tiefwurzler eine senkrecht ins Erdreich vordringende, fleischige Pfahlwurzel.
Zur Gattung Cichorium zählen 8 Arten. Neben der Wegwarte am bekanntesten ist die aus dem Mittelmeergebiet stammende und als Salatpflanze kultivierte Endivie (C. endivia). Wie die Wegwarte ist auch die Endivie eine schon im alten Ägypten angebaute Kulturpflanze. Mitte des 16. Jahrhunderts gelangte sie nach England, Deutschland, Holland und Frankreich. Europäische Siedler brachten die Pflanze 1806 auch nach Amerika. In Anlehnung an den französischen Namen „Chicorée frisée” (= krauser Chicoree) wird sie dort „Chicory” genannt.
Die Endivie bildet eine lockere, nur innen verdichtete (eingerollte) Blattrosette, aus der zur Blütezeit ein Stängel mit blauen Blüten emporwächst (empor„schießt”). Sie ist nur einjährig und bildet eine kleinere Wurzel als die Wegwarte. Ihre Grundblätter sind schwach gezähnt, die oberen und stängelumfassenden herzförmig. Einige Kultursorten haben kraus gewellte Blätter. Endiviensalat schmeckt bitter. Bekannte Sorten sind Frisée (C. endivia var. crispum) und Escariol (C. endivia var. latifolium).
Die Römer unterschieden bereits eine wilde und eine kultivierte Art der Wegwarte. Funde am Niederrhein weisen darauf hin, dass die Pflanze zur Zeit der Römer als Nutzpflanze in Mitteleuropa eingeführt wurde. Sie ist heute fast überall in Europa, Vorder- und Mittelasien bis in eine Höhe von 1500 m anzutreffen. In verschiedenen Teilen der Welt wurde sie eingeschleppt, darunter in Asien, Afrika, Australien, Nord- und Südamerika.
Die bei uns im Freiland anzutreffende Wegwarte Cichorium intybus ist auf die Wildform Cichorium pumilum zurückzuführen. Auf Kreta existiert die Art noch heute und wird dort als Wildsalat gegessen. Dagegen läßt sich ein Ursprung der zahlreichen Kultursorten von C. intybus und C. endivia nicht mehr eindeutig zuordnen. Wahrscheinlich wurden sie in dem sehr langen Zeitraum ihrer Verwendung allzu häufig untereinander gekreuzt.
Die unter den Trittpflanzengesellschaften eingeordnete Wegwarte gedeiht an sonnigen Standorten. Man findet sie auf trockenen, basen- und stickstoffreichen Böden an Weg- und Straßenrändern, Feldrainen, Äckern und Böschungen sowie als Pionierpflanze an Ruderalstellen.
Bei längerer Trockenheit verliert die Pflanze ihre Blätter und die Sprossachse übernimmt die Photosynthese. Vergleichbar wie beim Kompass-Lattich (Lactuca serriola) wenden sich ihre Blätter bei Lichtmangel mit der Oberfläche zum Licht.
Aus der Wildform der Wegwarte entstanden durch Kultivierung neben der zuvor bereits beschriebenen Endivie – die heute als eigene Art (Cichorium endivia) geführt wird – zwei Varietäten von C. intybus:
Der Anbau von „Wurzel-Zichorien” (var. sativum) zur Herstellung von Wurzelgemüse war bis zum Ende des zweiten Weltkriegs bedeutsam und ist heute nur noch regional verbreitet (z. B. in Italien). Ziel des jetzigen Anbaus ist die Gewinnung von Inulin.
Zu den „Treib-Zichorien” (var. foliosum) zählt vor allem der Chicorée, den man im 19. Jahrhundert durch Zufall in Belgien entdeckte. Der Obergärtner des botanischen Gartens in Brüssel grub im Herbst die Wurzeln der Wegwarte aus und setzte sie ins Frühbeet. Dabei stellte er fest, dass diese im Dunkeln nochmals auszutreiben begannen und sich bleiche, dicht gedrängte Blätter entwickelten. Der leicht bitter schmeckende Chicorée wird hauptsächlich in Belgien, den Niederlanden, Italien und Deutschland, aber auch in allen anderen mitteleuropäischen Ländern kultiviert. Immer beliebter wird der ursprünglich in Holland und Belgien verwendete „Witlof-Chicorée” mit gebleichten, nur an der Spitze gelblich gefärbten Blättern. „Puntarelle” (= „Spargelchicorée) heißt eine in Italien als bitteres Stangengemüse beliebte Chicorée-Sorte. Eine weitere Kulturform der Wegwarte („Salat-Zichorie”) ist der als Gemüse oder Salat verwendete rötliche Radicchio. Auch er wird in mehreren Sorten besonders in Italien angebaut.
Übersicht (ohne Sorten mit besonders starker Wurzelbildung für die Inulinproduktion und ohne die zahlreich existierenden Kreuzungen):
Cichorium intybus var. foliosum:
→ Treib-Zichorie: Chicorée, Witlof
→ Salat-Zichorie: Radicchio (mehrere Sorten)
Cichorium endivia ssp. (Endiviensalat):
→ Cichorium endivia var. latifolium: Escariol
→ Cichorium endivia var. crispum: Frisée
Chicorée, Radicchio und Witlof sind bitterer als Endiviensalat, dessen grüne Außenblätter intensiver schmecken als die inneren.
Die Rüben der Wurzel-Zichorie (var. sativum) sind – neben den Wurzeln des Topinamburs (Helianthus tuberosus) – eine wichtige Quelle für Inulin (= ein Fructan aus Polysacchariden und Fructose), das der Pflanze als Energiereserve und in der menschlichen Ernährung als Ballaststoff dient. Inulin wird als Grundstoff zur Herstellung von Fructose und als präbiotischer Nahrungszusatzstoff verwendet und ist in vielen Lebensmitteln enthalten.
Die Wegwarte ist weit verbreitet, überwiegend nicht geschützt und nur regional bestandsgefährdet („Vorwarnliste”, z. B. in Schleswig-Holstein). Nur an hellen Sommertagen blüht sie wenige Stunden vom Vormittag bis zum frühen Nachmittag. Bei Regen bleiben die Blüten zumeist geschlossen (im Volksmund wird die Pflanze „Faule Gretl” genannt). Die kurze Öffnungszeit der Blüten könnte mit der aktiven Phase eines ihrer Bestäuber – der Hosenbiene (Dasypoda hirtipes) – kongruent verlaufen. Außer von Bienen (z. B. Apis mellifera; Andrena flavipes, Halictus scabiosae) wird sie auch von Schwebfliegen (Fam. Syrphidae; z. B. Eupeodes corollae), Hummeln (z. B. Bombus lapidarius) sowie verschiedenen Fliegen und Schmetterlingen aufgesucht (Raupenfutterpflanze verschiedener Nachtfalter). Ihre Samen dienen Vögeln als Nahrung, z. B. Stieglitz (Carduelis carduelis) und Meise (z. B. Parus major). Regional wird die Wegwarte auch als Viehfutter angebaut. Wegen ihrer kurzen Blütezeit eignet sie sich nicht als Schnittblume.
Dass die Pflanze schon lange vor der antiken Zeit bekannt war, belegen ägyptische Papyrusrollen aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. Vor allem ihre Wurzel diente Ägyptern, Griechen und Römern gleichermaßen nicht nur als Lebensmittel (Gemüse), Heilpflanze (Magen/Darm, Augen) und zur Herstellung kosmetischer Produkte (Straffung der Haut), sondern wurde auch in spirituellen und religiösen Zeremonien verwendet.
Über die Zubereitung berichtete Marcus Gavius Apicius (* ca. 25 v. Chr.) in einem Kochbuch – dem ältesten, das aus der römischen Zeit erhalten ist (Nachdruck: Vehling 1977/2020): Danach dienten die Wurzeln in erster Linie als Wintergemüse. Zur Erntezeit wurden sie mit Öl und Zwiebeln konserviert und in der kalten Jahreszeit mit Honig und Essig verzehrt. Plinius d. Ä. (23-79 n. Chr.) – ein beim Ausbruch des Vesuvs gestorbener römischer Schriftsteller – empfahl Zichoriensaft mit Rosenöl und Essig gemischt als Mittel gegen Kopfschmerzen und der griechische Arzt Dioskurides (1. Jh. n. Chr.) schätzte ihre wohltuende Wirkung auf den Magen.
Auch in den Kräuterbüchern des Mittelalters wird über den Gebrauch der Wegwarte berichtet. Der Kräuterkundler Pietro Andrea Matthioli (1501–1577) hielt die Pflanze für eine vorzügliche Arznei gegen Entzündungen der Leber. Ebenso wie Hieronymus Bock (1498–1554) verwendete er den aus Wegwartenblüten gewonnenen Saft zur Heilung entzündeter Augen (Augentropfen), was sich auch im Volksmund widerspiegelt: „Das edle Kraut Wegwarten macht guten Augenschein”. Als Heilpflanze verzehrte man die gekochte Wurzel bei Magen-Darm-Beschwerden und nahm sie äußerlich zur Schmerzlinderung.
In Kriegszeiten galt die Zichorienwurzel als Hungernahrungsmittel. Sie wurde als Gemüse gekocht, diente geröstet als Kaffeeersatz (siehe nachfolgend unter „Produkte / Getränke”), wurde als Mehlersatz zu Pulver gemahlen und kandiert zu Süßwaren verarbeitet. Die Blätter verwendete man in Suppen und Salaten.
Um die Pflanze ranken sich viele Märchen und Legenden. Ein englisches Volksmärchen erzählt, daß die leuchtend blauen Blüten der Wegwarte die verwandelten Augen eines Mädchens seien, das um ihren von einer Seefahrt nie zurückgekehrten Geliebten weint. Nach einer Legende aus Rumänien soll die Wegwarte einst eine schöne Jungfrau gewesen sein. Als sie sich weigerte, die Sonne zu heiraten, wurde sie von dieser in eine Blume verwandelt und bis in alle Ewigkeit dazu verdammt, am Wegrand zu stehen und die Sonne von ihrem Aufgang bis zu ihrem Untergang zu betrachten. Aber nicht nur die Blüten symbolisieren treu ergebene Liebe, auch die Wurzel sollte Liebeszauber entfalten. Wer sich dies wünscht, gräbt einem alten Brauch zufolge zu Jakobi (25. Juli) oder Peter und Paul (29. Juni) in der Mittagszeit eine Wegwartewurzel aus. Da diese nicht mit bloßen Händen berührt werden darf, empfiehlt es sich, ein Hirschgeweih oder ein Goldstück zu Hilfe zu nehmen. Außerdem darf beim Ausgraben kein Wort gesprochen werden. Die auf diese Weise (recht mühsam!) gewonnene Wurzel soll die Kraft besitzen, in jedem Menschen treue Liebe zu erwecken, sobald man ihn damit berührt. Als Sinnbild für Treue in der Liebe war die Wegwarte häufig ein Bestandteil in Liebesgetränken.
Die Namen „Zichorie” und „Chicorée” wie auch der Gattungsname haben ihren gemeinsamen Ursprung im lat. Wort cichorium, das sich vom griechischen „kichorion” (= Wegwarte, Endivie) ableitet.
In Italien werden zur Förderung landwirtschaftlicher Produkte im Jahresverlauf mehr als 250 Festivals, Messen, Partys und Ausstellungen veranstaltet. Mit kulinarischen Angeboten, Märkten und Folklore-Shows wenden sie sich nicht allein an die einheimische Bevölkerung, sondern gleichfalls an Touristen.
Allein 14 Veranstaltungen, davon 86 % in Venetien, widmen sich dem Radicchio. Die traditionelle Verwendung der Wurzelzichorie Chicorée in Sizilien, Ligurien und der Lombardei ist Thema des im Herbst eines jeden Jahres stattfindenden Festivals „Sagra delle Radici” in Socino / Lombardei (Bianco 2009).
Kraut und Wurzel der Wegwarte enthalten u. a. Bitterstoffe, Gerbstoffe, Kalium, Kalzium und zahlreiche sekundäre Pflanzenstoffe. Dominierende Bitterstoffe sind Sesquiterpenlactone; vorherrschend die Guaianolide Lactucin und seine Derivate Lactupicrin (= Intybin), 11β,13 Dihydrolactucin und 8-Deoxylactucin. Deren Art und Menge bestimmen den unterschiedlich bitteren Geschmack der einzelnen Arten und Varietäten zusammen mit Polyphenolen, Cumarinen und anderen organischen Säuren (Review: Al-Snafi 2016; siehe auch nachfolgend unter „Forschung”).
Die Wurzel ist reich an Ballaststoffen, zu denen neben Zellwandfasern (Pektin, Cellulose und Hemicellulose) auch das Speicherkohlenhydrat Inulin zu zählen ist. Ballaststoffe erreichen einen Anteil von 15–20 % (Nassgewicht) bzw. ≤ 90 % Trockengewicht, womit die Zichorienwurzel hinsichtlich ihres Fasergehalts alle anderen Nahrungsmittel (z. B. Gemüse, Früchte) übertrifft.
Die Pflanzenstoffe wirken u. a. durch Anregung der Gallenabsonderung, z. B. bei Appetitlosigkeit und Verdauungsproblemen.
Im Rahmen der weltweiten Suche nach Medikamenten gegen Krebs-Erkrankungen widmete man sich auch den Inhaltsstoffen der Wegwarte. Dabei zeigten sich bei einer Reihe ihrer sekundären Pflanzenstoffe – z. B. Guaianolide (= Sesquiterpenlactone), Quercetin und Kaempferol (= Flavonoide), Chlorogen- und Kaffeesäure (= Hydroxyzimtsäuren), Campesterol und Stigmasterol (= Phytosterole) – neben pharmakologisch verwertbarem Potential auch Antitumoreigenschaften, u. a. bei Prostata-, Leber-, Nieren- und Brustkrebs, aber auch Magen- und Darmkrebs. Das noch weitgehend ungelöste Problem bei diesen Phytochemikalien ist jedoch das unterschiedliche Maß an wahlloser Zytotoxizität gegenüber normalen Zellen, was eine erfolgreiche Therapie behindert (Review: Imam et al. 2019).
Aufgrund des niedrigen Molekulargewichts wird das Inulin der Wegwarte von der Niere weder absorbiert noch metabolisiert und leicht ausgeschieden, wodurch es sich zur Messung der Nierenfunktion (glomeruläre Filtrationsrate) eignet. Zudem können Medikamente – eingeschlossen in (modifiziertes) Inulin – direkt in den Dickdarm abgegeben werden, ohne dass sie zuvor im Dünndarm abgebaut und ihre Wirkstoffe vorzeitig freigesetzt werden (Leyva-Porras et al. 2015).
Kristalline Formen des Inulin (γ- und δ-Inulin) sind bei Körpertemperatur praktisch unlöslich und könnten als Impfstoff-Adjuvans die Immunantwort bei Impfungen verbessern. In verschiedenen Tierversuchen wurde gezeigt, dass damit sowohl humorale als auch zellvermittelte Immunantworten für eine Vielzahl von Antigenen verstärkt werden können (Mensink et al. 2016).
Mehrere Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass die Funktionalität isolierter Zichorienwurzel-Verbindungen geringer ist als ein wässriger Extrakt aus einem Sud roher Zichorienwurzeln (z. B. Moradi et al. 2013; Lepczyński et al 2016; Puhlmann & de Vos 2020). Daraus könnte geschlossen werden, dass die Aufnahme der Wurzel als Vollwertnahrungsmittel einschließlich aller enthaltenen Wirk- und Inhaltsstoffe zumindest anders oder gar besser wirkt als die Aufnahme isolierter Phytochemikalien.
Lactucin und Lactucopikrin sind sehr schwache Kontaktallergene und führen nur in seltenen Fällen zu allergischen Hautreaktionen. Die etwa 20 Fälle in den letzten 100 Jahren betrafen vor allem Landarbeiter in der Chicorée-Kultivierung.
Bei Gallensteinleiden wird in manchen Schriften empfohlen, vor der Behandlung mit der Wegwarte einen Arzt zu konsultieren.
Arzneidrogen: Cichorii herba (Wegwartenkraut) und Cichorii radix (Wegwartenwurzel)
Die Anwendung erfolgt bei Appetitlosigkeit und akuten (leichten) Ernährungsstörungen, die verschiedene Ursachen haben können (z. B. verdorbene Speisen oder Infekte).
Verwendet wird die ganze, im Herbst gesammelte und getrocknete Pflanze (Kraut und Wurzel). Die mittlere Tagesdosis beträgt 3 g Droge. Man nimmt sie zerkleinert für Aufgüsse oder andere Zubereitungen.
Seit dem 16. Jahrhundert werden die (einjährigen) Wurzeln der Wegwarte geröstet und als Kaffee-Ersatz verwendet. Darauf weisen auch die volkstümlichen Bezeichnungen „Kaffeekraut”, „Kornkaffee” und „Muggefuk” hin. Bei der Herstellung wird die Wurzel geschabt, zerstückelt, getrocknet, geröstet und gemahlen. Hinzu kommen Malzgerste (aus gekeimten und danach getrockneten und gemahlenen Gerstenkörnern Hordeum vulgare), Gerste und Roggen (Secale cereale). Das kaffeeähnliche Aroma ist auf die Umwandlung von Inulin in Hydroxymethylfurfural zurückzuführen, welches sich u. a. bei Erhitzung von Zucker bildet. Zichorienkaffee ist frei von Koffein.
Zur Herstellung von Zichorienkaffee wurde die Wegwarte in Preußen unter König Friedrich II. (1740–1786) auf Feldern angebaut. Aufschwung nahm der Kaffeeersatz-Verbrauch, als echter Kaffee aus den britischen Kolonien wegen der von Napoleon I. (1769–1821) verhängten Kontinentalsperre (1806–1813) nicht mehr geliefert werden konnte.
Das Kaffee-Aroma getrockneter und gerösteter Zichorien wird auch in alkoholischen Getränken verwendet, um diesen einen charakteristischen Geschmack zu verleihen. Je nach Art und Dauer des Röstprozesses bilden sich unter bestimmten Bedingungen unterschiedliche Aromastoffe. Dabei werden Inulin, Saccharose und Aminosäuren weitgehend abgebaut, während Monosaccharide zu Beginn abnehmen und bis zum dunklen Röststadium wieder zunehmen; zudem entstehen mehrere neue Komponenten. Ähnlich wie beim Rösten von Kaffeebohnen verschwinden die meisten Aminosäuren wohl aufgrund der Maillard-Reaktion, die zwischen Aminosäuren und reduzierenden Zuckern wie Fructose (aus dem Inulin-Abbau) stattfindet (Wei et al. 2016).
Zur Bereitung eines Wegwarte-Tees gibt man ca. 200 ml kaltes Wasser auf einen Teelöffel Wurzel oder Kraut (oder eine Mischung von beiden), erhitzt bis zum Sieden und lässt 2 bis 3 Min. kochen, dann Abkühlen und Abseihen, empfehlenswert sind 2 bis 3 Tassen täglich.
Im Handel sind auch fertige Teemischungen mit Wegwarte (meist Magen-, Leber- und Gallentees) erhältlich.
Traditionell werden Zichorienwurzeln seit langem vom Menschen als Gemüse konsumiert. Sie zählen zu den pflanzlichen Nährstoffen mit dem höchsten Fasergehalt (Cellulose, Hemicellulose, Pektin), der fast 90 % ihres Trockengewichts ausmacht – womit sie als wertvolle Ballaststoffe dienen. Da solche unverdaulich sind, vergrößern sie das durch den Darm transportierte Nahrungsvolumen und beschleunigen die Dünndarmpassage (Peristaltik), liefern aber nahezu keine direkte Energie. Abgebaut werden sie zum Teil durch Dickdarmmikroben, deren Produkte sich überwiegend positiv auf den Stoffwechsel und vor allem das Immunsystem auswirken.
Auch das in Faserstoffe eingekapselte und gleichfalls als Ballaststoff dienende Inulin kann im Dünndarm durch körpereigene Enzyme nicht abgebaut werden, weil dem Menschen das Enzym Inulinase fehlt. Inulin hat keinen Einfluss auf den Bllutzuckerspiegel und kann bei Zuckerkrankheit (Diabetes) als Stärkeersatz verwendet werden.
Zur Zubereitung von Wildgemüse können die zuvor gewässerten Blätter gekocht werden, was jedoch den Bittergeschmack verringert. Junge Blätter und Blüten sind für Salate geeignet.
Kosmetika mit Zichorien-Milchsaft dienten in früheren Zeiten gegen Haarausfall der Augenbrauen und zur Straffung des weiblichen Dekolletés. Heute verwendet man Zichorienwurzelextrakt als schützende und regenerierende Komponente in manchen Hautpflegemitteln.
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Letzte Änderung: 21. Januar 2021
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: 20. Januar 2021
Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2020): Wegwarte (Cichorium intybus) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in CH-Brunnen: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).
Bildnachweise
• Hosenbiene (Dasypoda hirtipes): Christian Fischer (CC BY-SA 3.0); https://commons.wikimedia.org/wiki/File:DasypodaHirtipesFemale1.jpg (Abb. unverändert);
• Fasertypen in der Zichorienwurzel: aus Puhlmann & de Vos (2020), siehe Literaturverzeichnis); Open Access, Creative Commons License 4.0;
alle weiteren Fotos und Abbildungen:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg
Zitierte Literatur
→ Standardwerke, Lehrbücher und weiterführende Literatur finden Sie im Literaturverzeichnis (home-Seite oder (http://www.kraeuterabc.de/literatur/)
Al-Snafi, A. E. (2016): Medical importance of Cichorium intybus – A review. – IOSR Journal Of Pharmacy 6 (3): 41–56.
Bianco, V. V. (2009): Le specie ortive minori in Italia. – Review 9 in: Italus Hortus 16 (1), 1–21.
Imam, K.S.U. et al.(2019): Cytotoxicity of Cichorium intybus L. metabolites (Review). – Oncology Reports 42 (6): 2196–2212; doi.org/10.3892/or.2019.7336.
Lepczyński, A. et al. (2016): Inulin-type fructans trigger changes in iron concentration and activity of bone metabolism biomarkers in blood plasma of growing pigs. – Journal of Animal and Feed Sciences 25: 343–347; doi.org/10.22358/jafs/67471/2016.
Leyva-Porras, C. L. et al. (2015): Physical Properties of Inulin and Technological Applications. – in: Ramawat, K. G. & J.-M. Mérillon (Hrsg.): Polysaccharide: Bioaktivität und Biotechnologie; S. 959–984; Heidelberg, New York (Springer).
Löns, H. (1911): Der kleine Rosengarten. – 124 S.; Paderborn 2013 (Salzwasser-Verlag).
Mensink, M. A. et al. (2016): Inulin, a flexible oligosaccharide. II: Review of its pharmaceutical applications. – Carbohydrate Polymers 134: 418–428.
Moradi, M. S. et al. (2013): Effects of probiotic ultra-filtered feta cheese and raw chicory root extract on lipid profile in healthy adult volunteers: a triple-blinded randomized controlled trial. – Mediterr. J. of Nutrition and Metabolism 6 (3): 199–206; doi: 10.3233/s12349-013-0130-6.
Puhlmann, M.-L. & W. M. de Vos (2020): Back to the Roots: Revisiting the Use of the Fiber-Rich Cichorium intybus L. Taproots. – Advances in Nutrition 11 (4): 878–889; doi.org/10.1093/advances/nmaa025.
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Wei, F. et al. (2016): Use of NMR-Based Metabolomics To Chemically Characterize the Roasting Process of Chicory Root. – J. Agric. Food Chem. 64 (33): 6459–6465; doi.org/10.1021/acs.jafc.6b02423.