Wacholder

  • Juniperus communis
  • Heide-Wacholder, Gemeiner Wacholder, Machandel, Kranewitt
  • (Fam. Cupressaceae, Zypressengewächse)
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Kräuterbeschreibung

Wacholder gibt es in den drei Unterarten Juniperus communis communis, J. c. alpina und J. c. hemisphaerica. Er soll bis zu 2000 Jahre alt werden und wächst in unterschiedlichen Größen und Formen meist spitzkegelförmig, aber auch niederliegend, als Zwerg- und Spalierstrauch oder säulenförmiger Baum bis 10 m in die Höhe. Seine stechenden, etwa 1 cm langen blaugrünen Nadeln stehen in 3-blättrigen Quirlen. Blütezeit der diözischen (= männlichen oder weiblichen) Pflanzen ist zwischen März und Juni. Männliche Blüten sind gelbliche Kätzchen aus zahlreichen Staubblättern. Die eiförmigen weiblichen Blüten bestehen aus drei grünlichen Fruchtblättern. Sie entwickeln sich zu erbsengroßen, im 2. Reifejahr dunkelbraun-violetten und bläulich bereiften Scheinbeeren („Beeren“, „Beerenzapfen“, „Wacholderzapfen“); ihr Geschmack ist süßlich-aromatisch mit einem bitter-herben Nachgeschmack. Aufgrund der langen Reifezeit findet man an derselben Pflanze grüne (unreife) und bläuliche (reife) Beeren. Sie enthalten jeweils 3 längliche, dreikantige, hellbraune Samen mit harter Schale.

Verwandte Kräuter

Mit dem Wacholder eng verwandt ist der Sadebaum oder Stink-Wacholder (Juniperus sabina). In Mitteleuropa wird er häufig kultiviert und angepflanzt; in Südeuropa gibt es auch wildwachsende Bestände. Es handelt sich um einen bis 4,5 m hohen und eher flächenartig wachsenden Strauch, dessen Zweige kreuzgegenständig mit Blattschuppen besetzt und dessen Scheinbeeren gestielt sind (beim Wacholder: stiellos). Sein ätherisches Öl ist schon bei Hautkontakt giftig und wird volkstümlich gegen Warzen verwendet. In früheren Zeiten wurde es auch als Abortivum (Abtreibungsmittel) eingenommen. Da die Wirkung meist erst bei einer letalen Dosis eintritt, kam es häufig zu Todesfällen.
In den Alpen findet man auf trockenen Felshängen bis 4.000 m Höhe den strauchförmigen, aber niedrig kriechenden Zwerg-Wacholder (= Alpen-Wacholder, Juniperus communis var. saxatilis), der auch Nordeuropa, Asien und Nordamerika weit verbreitet ist. Im Handel wird die Art als Bodendecker für Gärten und Parkanlagen eingeordnet.

Zu Heilzwecken dienen in den Mittelmeerländern auch das ätherische Öl des Baumwachholders („Spanische Zeder“, J. oxycedrus) und in Nordamerika das sogenannte „Zedernholzöl“ des Virginischen Wacholders („Virginische Zeder“, J. virginiana).

Vorkommen

Herkunft und Verbreitung

Wacholder ist in ganz Europa, Kleinasien, im Kaukasus und im Norden Afrikas wie auch in Amerika und Asien heimisch und verbreitet. Kulturen befinden sich z. B. in den ungarischen Karpaten. Die bekanntesten Anbaugebiete für die traditionellen Lieferanten der Gin-Hersteller liegen in Italien (Apennin/Toskana).

Standort

Typische Standorte sind steinige Berghänge und Felsen bis in subalpine Regionen, Heideflächen, Magerweiden und das Unterholz lichter Wälder, besonders der Nadelwälder.

Kultivierung

Die Ernte der im 2. Jahr gereiften Beeren erfolgt im Oktober an natürlichen Standorten. Wegen der spitzen Blätter klopft man die reifen Beeren ab. Sie fallen auf ausgebreitete Tücher, werden verlesen und an der Luft getrocknet.

Der Wacholder wird in einigen deutschen Bundesländern als „gefährdet“ oder „stark gefährdet“ eingeordnet. In Österreich ist er „regional gefährdet“ und in mehreren anderen Ländern geschützt.

Brauchtum

Die Entdeckung von Wacholderbeeren in jungsteinzeitlichen Pfahlbauten läßt auf eine Verwendung als Gewürz- und Heilpflanze schon seit Jahrtausenden schließen. Bei den Germanen stand der „Karnawetstrauch“ in hohem Ansehen. Papyrusrollen aus dem alten Ägypten (2000 v. Chr.) geben Aufschluß über den vielseitigen Gebrauch, vor allem als Gewürz, aber auch bei Krankheiten. Pulverisierte Wacholderbeeren wurden z. B. gegen die in tropischen Gebieten verbreitete Wurmerkrankung Bilharziose und in Salben gegen Kopfschmerzen und Migräne angeboten; Zubereitungen verwendeten Ärzte zur Behandlung von Wunden, Geschwüren, Entzündungen, Gliedersteifheit, Magen-Darm-Erkrankungen und Harnwegsbeschwerden. Das aus den Beeren gewonnene Öl diente Kultzwecken; Priester reinigten hiermit ihre Opfergefäße. In Griechenland gab man Wacholderzweige und andere Kräuter in den frisch gekelterten, noch unvergorenen Wein. Hippokrates (5. Jh. v. Chr.) empfahl die äußere Anwendung bei Wunden und Fisteln und die Einnahme zur Beschleunigung des Geburtsvorgangs. Dioskurides (1. Jh. n. Chr.) lobte die harntreibende Wirkung der Beeren, die auch Blähungen, Brustleiden und Husten lindern und als Räuchermittel die wilden Tiere vertreiben sollten. Hildegard von Bingen (1098-1179) empfahl Wacholderbeeren bei Brust-, Lungen- und Leberleiden. Leonhart Fuchs (1501-1566) beschrieb zahlreiche Anwendungen, z. B. sollen die Beeren des „Weckholders“ den Harn treiben, den Magen stärken, gegen Husten und Blähungen wirken und Leber und Niere reinigen. Wacholder galt als Wundermittel gegen ansteckende Krankheiten, vor allem die Pest. Bis ins 19. Jahrhundert streute man die Beeren auf glühende Kohlen, um mit dem Rauch die Luft in Wohnungen und Krankenhäusern zu reinigen. Nach einer Legende aus dem Salzburger Land soll während einer Pestepedemie den Menschen ein Vogel erschienen sein und ihnen zugerufen haben. „Eßt’s Kranawitt und Bibernell, dann sterbt ihr net so schnell.“

Wissenswertes

Der wiss. Gattungsname könnte auf lat. „junior“ (der Jüngere) und lat. „pario“ (erscheine) zurückzuführen sein, weil die älteren Beerenzapfen noch immer am Strauch hängen, wenn die jüngeren bereits erscheinen. Eine andere Deutung ist lat. „juvenis“ (jung) und lat. „parus“ (gebärend) unter Bezug auf die abtreibende Wirkung des verwandten Sadebaums (Juniperus sabina); lat. „communis“ bedeutet „gemein“. Der deutsche Gattungsname „Wacholder“ ist alt- und mitteldeutschen Ursprungs (wahhaltar, wechelder, wecholter) und bedeutet „lebensfrisch“.
Ätherisches Öl (Wacholderöl) wird durch Wasserdampfdestillation aus den reifen Beerenzapfen gewonnen. Das Holz (Lignum Juniperi) verwendet man auch zur Herstellung von Bleistiften, zum Drechseln und Räuchern von Fisch und Fleisch.

Eigenschaften

Wesentliche Inhaltsstoffe, Wirkung

Hauptinhaltsstoffe der Beeren sind 0,5 bis 2,5 % ätherisches Öl, bestehend aus überwiegend Monoterpenen (30-40 % a-Pinen und wenig b-Pinen, 13-29 % Sabinen, 7-18 % Myrcen, 2,7-11 % Limonen sowie zahlreiche andere in geringer Menge) und Derivaten (0,5-12 % Terpinen-4-ol) sowie Sesquiterpenen (u. a. Caryophyllen, Cadinen, Elemen). Weitere Inhaltsstoffe sind Flavonoidglykoside und Biflavonoide, Diterpensäuren, Gerbstoffe und rund 30 % Invertzucker. Unreife Beeren enthalten das ätherische Öl (bis 2,9 %) in einer etwas anderen Zusammensetzung.

Wacholderbeeren haben eine stark harntreibende Wirkung, sollen antimikrobielle und entzündungshemmende Eigenschaften besitzen und eine vermehrte Sekretion von Gallensäuren anregen.

Warnhinweise

Wacholderpräparate und -beeren sind bei Schwangerschaft und entzündlichen Nierenerkrankungen zu meiden. Bei Überdosierung oder langdauernder Anwendung kann es zur Reizung und Schädigung der Nieren kommen. Äußerlich ist eine Entzündung der Haut mit Blasenbildung möglich (irritative Kontaktdermatitis), während die große Menge an Pollen als allergologisch unbedeutend angesehen wird.

Anwendung

Anwendungsgebiet

Arzneidroge: Juniperi fructus (Wacholderbeeren)
Anwendung bei dyspeptischen Beschwerden (= funktionellen Störungen im Oberbauch), z. B. Reizmagen, Völlegefühl, Sodbrennen, Bauchschmerzen und Übelkeit.
Traditionell verwendet man Wacholderbeeren als harntreibendes (entwässerndes) Mittel. Da die Reizwirkung direkt im Nierengewebe liegt, wird von Anwendungen z. B. bei entzündlichen Nierenerkrankungen abgeraten. Außerdem besteht die Gefahr einer Nierenschädigung durch hohen Gehalt an Monoterpenkohlenwasserstoffen.
In der Volksmedizin nimmt man die Beeren auch zur Appetitanregung, gegen Rheuma, Husten, Durchfall, Blähungen und bei Galle- und Leberbeschwerden.

Anwendungsart

Verwendet werden ganze, gequetschte oder pulverisierte Beeren zur Herstellung von Aufgüssen und Abkochungen, Alkoholextrakten und weinigen Auszügen sowie das ätherische Öl (Oleum Juniperi) in festen und flüssigen Formen zum Einnehmen.
Die gebräuchliche Tagesdosis sind 2 g bis max. 10 g getrocknete Wacholderbeeren (entspricht 20 mg bis 100 mg ätherisches Öl).

Wacholder wird in der Homöopathie eher selten verwendet, z. B. bei dyspeptischen Beschwerden oder Störungen der ableitenden Harnwege.

Produkte

Getränke

Wacholderbeeren sind die wichtigste Zutat bei der Herstellung von Gin und verantwortlich für dessen charakteristisches Aroma. Er wurde schon 1550 in den Niederlanden als „Genever“ erfunden und um 1700 in England zu „Gin“. Dort war er in der Anfangszeit als gräßlicher Fusel der sozialen Unterschicht verschrien, später änderten sich jedoch Aroma (Auswahl der Ingredienzen und Verwendung von neutralem Alkohol), Geschmack (London Dry Gin, Plymouth Gin) und Verwendung (z. B. in Mixgetränken; Gin-Tonic als Mix-Basis; Mischung von Cocktails) und der Gin erfreute sich im viktorianischen Zeitalter einer allgemeinen und großen Beliebtheit.
Ein Martini-Cocktail besteht aus 5 Teilen Gin und 1-2 Teilen trockenem Wermut. Der britische „Pimm’s“ enthält Wacholderbeeren in seinem Grundrezept. Auch der niederländische Genever wird noch heute hergestellt, aber in einer etwas anderen Rezeptur als Gin. Dabei wird Kornschnaps (Destillat, meist aus Roggen oder Gerste mit Malz) mit Wacholderbeeren und weiteren Zutaten erneut gebrannt. Der niederländische Genever ist in den drei Qualitäten „jung“, „alt“ und „sehr alt“ erhältlich. Französischer Genever stammt aus der Gegend um Flandes. Eisgekühlt ist Genever ein beliebter Digestif, eignet sich aber auch als Apéritif (z. B. Crèmede Cassis, Chuche Mourette, Rosso Antico). Die geheimen Zutaten zum italienischen Alpenbitter „Braulio“ werden noch im traditionellen Stil gesammelt, u. a. Wacholderbeeren und Schafgarbe. In Polen sind Spezialitäten des Wodkas Wyborowa mit Wacholderbeeraroma und der wacholderhaltige Kräuterlikör „Krambambuli“ erhältlich. Ein beliebter Wacholderschnaps in Osteuropa ist der Borovicka.
In Deutschland kennt man Wacholderschnaps vor allem unter dem Namen „Steinhäger“ oder “ Machandel “ und kippt ihn gerne zum Bier („ein Kurzer und ein Langer“). Auch Doornkaat und Wacholderhäger werden mit Wacholderbeeren destilliert. Wacholderblüten sind dagegen in der Kräutermischung zur Herstellung von skandinavischem Aquavit enthalten.
Rezept Wacholder-Schnaps: 2 EL Wacholderbeeren grob zerstoßen und zusammen mit 3 gereinigten Wacholderzweigen in eine 0,7 l Flasche geben. Mit Korn übergießen, verschließen und 6 Wochen an einem schattigen Platz stehen lassen; dann filtern und in eine mit kochendem Wasser ausgespülte Flasche füllen; erneut verschließen und länger als ein halbes Jahr kühl und dunkel lagern.
Rezept Wacholder-Aperitif: wie oben, doch je zur Hälfte trockenen Weißwein und Wodka verwenden. Nach einer Woche filtrieren, mit ca. 5 EL Zucker oder Zuckersirup süßen und abfüllen. Gut verschlossen aufbewahren.

Tee

Wacholderbeeren-Tee: Für einen Aufguß nimmt man 2 g auf eine Tasse. Die zerdrückten Wacholderbeeren mit Wasser übergießen und 10 Min. ziehen lassen.
Im Handel erhältliche Blasen- und Nierentees enthalten Wacholder in sinnvollen Kombinationen mit anderen pflanzlichen Drogen (z. B. Birkenblätter oder Orthosiphonkraut).

Speisen

Zerquetschte Wacholderbeeren nimmt man z. B. zum Würzen von Wildgerichten, Schinken und Fisch, zu Saucen, Marinaden und Pasteten, für Sauerkraut- und Kohlgerichte.

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Letzte Änderung: 26. Juni 2020
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: z. Z. in Arbeit (2021)

Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2020): Wacholder (Juniperus communis) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in CH-Brunnen: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).


BILDNACHWEISE UND ZITIERTE LITERATUR

Bildnachweise

Alle Fotos:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg

Zitierte Literatur

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