BESCHREIBUNG
Der Echte Thymian (Thymus vulgaris) ist ein meist 30 bis 40 cm hoher, reich verzweigter und intensiv duftender Halbstrauch (Zwergstrauch). An den basal verholzten 4-kantigen Stängeln, die nach oben verästelt sind, sitzen gegenständig kleine lanzettförmige, unterseits graufilzig behaarte Blätter mit nach unten eingerollten Rändern. Im Sommer (Mai-Oktober) öffnen sich die zwei- bis dreilippigen, violett- oder lila- bis rosafarbenen Blüten mit ungeteilter Oberlippe und 3-zipfliger Unterlippe. Sie stehen zu mehreren (3–6) scheinbar quirlig in den oberen Blattachseln, wo sie einen ährenähnlichen Blütenstand bilden. Mit ihrem hohen Nektargehalt locken sie Bienen an (Name: „Bienenkraut”) und verleihen dem Honig einen charakteristischen Geschmack. Die vom Kelch eingeschlossene, für Lippenblütler typische „Klausenfrucht” besitzt in jedem ihrer 4 Fächer eine Samenanlage mit je einem hell- bis dunkelbraunen Nüsschen. Im Abschlussgewebe der Pflanze befinden sich Drüsenschuppen, deren jeweils 12 Exkretzellen ein öliges Sekret zwischen Zell-Außenwand und Cuticula absondern. Auf das ätherische Öl ist der charakteristische Geruch (würzig, aromatisch-phenolisch) zurückzuführen.
Zu Heilzwecken benutzt wird der gleichfalls offizinelle Joch-Thymian oder Spanische Thymian (Thymus zygis). Das im kühleren Mitteleuropa nicht winterharte Kraut unterscheidet sich vom Echten Thymian u. a. durch weiße Blüten und etwas kleinere, drüsig-gepunktete und unterseits stärker behaarte, graugrüne Blätter; es blüht im Juli/August.
Neben den beiden zuvor genannten Stammarten nach Ph.Eur. (European Pharmacopoeia) wird auch der einheimische und winterharte, in Europa und Asien verbreitete Quendel oder Feldthymian (Thymus pulegioides) arzneilich verwendet. Zusammen mit acht anderen Thymian-Kleinarten (z. B. Th. alpestris, Th. praecox, Th. oenipontanus …) bildet er die Sammelart Thymus serpyllum (auch als „Sand-Thymian” bezeichnet). An seinen niederliegenden bis aufsteigenden Trieben befinden sich kurzgestielte, nur am Rand der flachen Spreiten bewimperte Blätter. Die rosa bis rotvioletten Blüten entfalten sich an 4-kantigen Stängeln, die entlang der Kanten behaart sind. An den Triebspitzen zusammengedrängt bilden sie kopfige bis ährenförmige Blütenstände.
VERWANDTE KRÄUTER
Nicht zu Heilzwecken, aber als Küchenkraut verwendet wird der Zitronenthymian (Thymus x citriodorus); ein Hybride von Th. pulegioides × Th. vulgaris mit intensivem Zitronengeruch. Von der immergrünen und winterharten, bis 30 cm hohen Pflanze sind mehrere Sorten im Handel.
Die rund 250 Arten umfassende Gattung Thymus gehört zur Familie der Lippenblütler (Lamiaceae), die weitere als Heil- und Küchenkräuter umfasst, z. B. Salbei (Salvia), Minze (Mentha), Rosmarin (Rosmarinus), Katzenminze (Nepeta), Lavendel (Lavandula), Basilikum (Ocimum) und Zitronenmelisse (Melissa).
Die im ätherischen Öl des Thymians enthaltenen Hauptwirkstoffe „Thymol” und/oder „Carvacrol” sind auch in den Lippenblütlern Dost (Origanum), Bohnenkraut (Satureja) und Indianernessel (Monarda) enthalten.
HERKUNFT UND VERBREITUNG
Der Echte Thymian (Thymus vulgaris) ist im westlichen Mittelmeerraum heimisch; in Mitteleuropa kann er in wärmeren Regionen ausgewildert angetroffen werden und wird für medizinische Zwecke auch angebaut. Die Heimat des Joch-Thymians (Thymus zygis sp. gracilis) ist Spanien, Portugal, Marokko und Algerien; zwei weitere Unterarten von Thymus zygis (sp. sylvestris und sp. zygis) wachsen in Spanien und Portugal. In Europa weitaus stärker verbreitet als die genannten Arten ist der Quendel oder Feldthymian (Thymus pulegioides).
STANDORTE
Thymus vulgaris gedeiht ebenso wie Thymus zygis in sehr warmem subozeanisch bis subkontinentalem Klima (mittlere Luftfeuchtigkeit, mäßige Temperaturschwankungen und nicht zu tiefe Wintertemperaturen). Beide Pflanzen bevorzugen sehr trockenen, schwach sauren bis neutralen Boden und einen halbschattigen Standort. Im Mittelmeerraum wachsen sie vor allem inmitten der Macchien (= immergrünes lückiges Buschwerk), an Trockenhängen, auf Trocken- und Magerrasen sowie an Weg- und Waldrändern. In Mitteleuropa sind nur wenige Arten bzw. Sorten winterhart, z. B. der einheimische Feldthymian oder Quendel (Thymus pulegioides) und wenige kultivierte Zuchtformen von Thymus vulgaris, z. B. die Sorte „Deutscher Winter”.
KULTIVIERUNG
In Ländern mit geeignetem Klima wird der Echte Thymian (Thymus vulgaris) heute weltweit kultiviert; im Mittelmeerraum in Südfrankreich, Italien und Spanien und neben Quendel (Th. pulegioides) auch in der Türkei. Die Vermehrung erfolgt durch Aussaat oder Teilung. Für eine Direktsaat ist der langsam wachsende und gegenüber Konkurrenzarten schwache Thymian wegen Verunkrautung der aufgehenden Saat nur wenig geeignet. Zumeist wird daher zwischen Ende Februar und Mitte März zwecks Anlage einer Vorkultur im Gewächshaus ausgesät. Das Umsetzen der Jungpflanzen ins Freiland erfolgt ab Mitte April. Eine schnellere Vermehrungsart ist die Teilung bereits bestehender Thymianpolster, bei der einzelne Aststücke in die Erde von Anzuchtplatten eingedrückt werden, wo sie recht schnell anwachsen. Im zweiten Wachstumsjahr werden die Pflanzen auf 10–15 cm Höhe zurückgeschnitten, um sie zur Ausbildung vieler junger Triebe zu veranlassen, die einen hohen Gehalt an ätherischem Öl aufweisen. Zu Beginn der Blütezeit (Ende Mai / Anfang Juni) oder bei voller Blüte – im zweiten Standjahr auch ein zweites Mal (Ende August / Anfang September) – werden die Triebe oberhalb der verholzten Teile geerntet, wobei die optimale Schnitthöhe ca. 5 bis 10 cm über dem Boden liegt. Bei einer Lufttemperatur von bis zu 35 °C müssen sie dann schnell getrocknet werden; ansonsten drohen Verluste an ätherischem Öl. Die Trocknung erfolgt in maschinellen Anlagen oder im Freien (Halbschatten). Sind 8–10 % Restfeuchte erreicht, wird das Kraut gerebelt (= abgestreift) und kann vermarktet werden. Es ist vor Feuchtigkeit und Licht zu schützen. Zur Aufbewahrung eignen sich Papier- oder Jutesäckchen, nicht jedoch Kunststoffbehälter aus PVC oder Polyethylen, weil das ätherische Öl mit diesen Stoffen in Kontakt tritt.
Thymian lässt sich problemlos tiefgefrieren. Frisch geschnitten werden nur die von den Stängeln abgetrennten Blüten und Blätter verwendet, in denen sich die Wirkstoffe befinden.
Die Kultivierung des Joch-Thymians (Thymus zygis) in seinen Herkunftsländern erfolgt entsprechend.
UMWELT, NATURSCHUTZ
Thymus vulgaris, Thymus zygis und Thymus pulegioides (Thymus serpyllum) gehören in Mitteleuropa nicht zu den besonders geschützten Pflanzenarten.
Thymianblüten sind eine wertvolle Bienenweide. Der mögliche Honigertrag wird auf über 150 kg Honig pro Hektar Feldfläche geschätzt.
Die antimykotische (= Pilzkrankheiten verhindernde) Wirksamkeit des ätherischen Öls von Thymian kann auch dem Pflanzenschutz dienen: Versuche zeigten, dass der Schadpilzbefall beim Anbau von Heilpflanzen mit Thymian als Pflanzenschutzmittel nahezu vollständig unterdrückt werden kann (Röhricht et al. 2008).
BRAUCHTUM
Schon vor 4000 Jahren kultivierten Sumerer den Thymian zu Heilzwecken. Nach Aufzeichnungen im „Papyrus Ebers” (um 1500 v. Chr.) nutzten auch die Ägypter dessen antiseptische Eigenschaften, u. a. bei der Mumifizierung; ebenso die Etrusker (ab 800 v. Chr.) zur Leichenwaschung und Einbalsamierung.
Seit der Antike steht die Heilwirkung im Vordergrund: Plinius Secundus († 79 n. Chr.) empfahl Thymian bei Schlangenbissen und Skorpionstichen. Nach Dioskurides (1. Jh.) treibt das Kraut den Bandwurm aus. Es diente zur Konservierung von Speisen (insbesondere Fleisch), zur Herstellung aromatischer Weine und des Allheilmittels Theriak. Wegen seines Geruchs und keimtötender Eigenschaften nutzte man Thymian zusammen mit weiteren Kräutern als Räuchermittel zur Desinfektion, u. a. gegen Pest- und Lepra. Er diente als Insektizid, Kopfschmerzmittel und Opfergabe in den Tempeln.
Schriftlich erwähnt wird Thymian im Capitulare Karls des Großen (9. Jh.). Den Mittelmeer-Thymian Thymus vulgaris („Römischer Quendel”) sollen Benediktinermönche aber erst im 11. Jh. über die Alpen gebracht und in ihren Klostergärten kultiviert haben – wobei aus mittelalterlichen Berichten bis zum 16. Jh. nicht immer eindeutig erkennbar ist, ob dieser oder der einheimische Quendel Thymus serpyllum gemeint ist. Und dies, obwohl bereits die alten Schriftsteller, auf die man sich bezog – z. B. Theophrast († 287 v. Chr.), Dioskurides, Columella († 70 n. Chr.) und Plinius († 79 n. Chr) – zwischen „wildem Thymian” und „Garten-Thymian” zu unterscheiden wussten.
Hildegard von Bingen († 1179) empfahl die Verwendung der Pflanze u. a. gegen Husten, Läuse, Krätze, Lähmung und zur Blutreinigung. Im Mittelalter verabreichte man Thymian auch bei Magen-Darm-Beschwerden, Atemwegserkrankungen und als harntreibendes Mittel. Seine seit der Antike bekannte Wirkung gegen Wurmbefall war damals in fast allen wichtigen Kräuterbüchern verzeichnet, u. a. von Hieronymus Bock (Kreütter Buch 1539), Leonhart Fuchs („New Kreüterbuch” 1543) und Adamus Lonicerus (Kreuterbuch 1546).
Thymian galt als „Frauenpflanze” (in der Klostermedizin:„Marienkraut”). Man glaubte einerseits, mit Thymiantee Gebärmutterkrankheiten heilen zu können, die Empfängnisbereitschaft zu stärken („Kunigund macht warm von unt’ ”; Kunigundekraut = Thymian), Geburten zu erleichtern und den Milchfluss anzuregen; andererseits diente das Kraut auch zur Verhütung und Abtreibung. Im 16. Jahrhundert wurde Thymian allgemein angebaut, das ätherische Öl im Dispensatorium Noricum (Nürnberger Arzneibuch 1589) erwähnt und bis zum 17. Jh. war er bereits als gängiges Heilmittel in Apotheken verfügbar. Der schwedische Naturforscher Carl von Linne (1707–1778) empfahl den Feld-Thymian zur Linderung von Verdauungsbeschwerden („Kater”), Kopf- und Gliederschmerzen. Auf eine Verwendung gegen Erkältungskrankheiten deutet der alte Spruch: „Der nächste Schnupfen kommt bestimmt, doch nicht zu dem, der Thymian nimmt”.
Erst lange nach Entdeckung des Hauptbestandteils Thymol 1719 durch Kaspar Neumann bestätigte sich Ende des 19. Jhs. die Wirksamkeit der bisherigen Anwendung gegen „Eingeweidewürmer” in klinischen Studien (Reinhardt 1911). Thymianöl (bzw. dessen Inhaltsstoff Thymol) bewährte sich seither nicht nur gegen Wurmbefall, sondern vor allem als wirksames Mittel zur Wunddesinfektion, als nicht-toxisches Antiseptikum in Krankenhäusern (anstelle des ätzenden und giftigen Phenolum liquefactum = „Karbol” = Carbolsäure = Phenol), bei Soldaten als Schutz vor Infektionen und Darmkrankheiten und äußerlich zur Abwehr von Insekten und Parasiten (Läuse, Flöhe, Milben, Zecken) – Anwendungen, die noch heute auch in der Tiermedizin erfolgreich sind.
Im Volkstum verbindet sich mit Thymian („Quendel”) eine Fülle von Aberglauben: In Bayern und Österreich sollte ein an Fronleichnam geweihtes Thymiankränzchen Hexen, Dämonen und den Teufel abwehren. In Brandenburg legte man der Braut vor der Trauung Thymian in die Schuhe, worauf diese sagte: „Ik tret, ik tret up Thymian, Kieck du mir keene andre an.“ Einige frische Zweige im Kopfkissen oder mit ins Bett genommen sollten dann den Kinderwunsch erfüllen. Beliebt war auch ein „Thymianbad”, das schon die alten Römer als starkes Aphrodisiakum schätzten – ein Volksglaube, der im gesamten Mittelalter bis in die Zeit der Renaissance lebendig war. Doch nicht nur in der Liebe, auch bei Geschäften galt die Pflanze als Glückbringer („Quandel mach mir Handel“) – zumindest im Thüringer Wald. In England dagegen scheute man den Quendel, denn er bringe Unglück ins Haus, gefährde die Gesundheit oder gar das Leben eines Familienmitglieds. In Frankreich wurde mancherorts befürchtet, dass der Verstand verloren ginge, wenn man sich auf den Quendel lege.
WISSENSWERTES
Dem Namen „Thymus“ liegt wohl das griechische Wort „thymos” (= Mut, Kraft) zugrunde. Das Einreiben des Körpers von Kämpfern mit Thymianöl sollte deren Mut und Kraft stimulieren. Vielleicht ist die Bezeichnung auch auf „thyein“ (= räuchern) oder „thyo“ (= Opfer bringen) zurückzuführen, was auf ein Räuchermittel zur Desinfektion („thymaterion“ = Räuchergefäß) oder die Verwendung als Brandopfer für die Götter hinweisen könnte. Herleiten ließe sich „Thymus” auch vom ägyptischen Wort „tham“ (oder „thm“), der Bezeichnung einer zum Waschen und Einbalsamieren von Leichen (Mumifizierung) verwendeten Pflanze.
Die Gebirgsgruppe „Karwendel” (nördliche Kalkalpen in Tirol, z. T. in Bayern) ist nach dem einheimischen Thymian (= „Quendel”) benannt.
INHALTSSTOFFE, EIGENSCHAFTEN, WIRKUNG
Wichtigste Inhaltsstoffe sind Monoterpenphenole, insbesondere Thymol und Cavacrol – je nach Herkunft in unterschiedlichen Anteilen (nach Ph.Eur. mindestens 40 % im ätherischen Öl und 1,2 % im Kraut = Thymi herba) sowie p-Cymen und 𝛾-Terpinen (= Vorstufen der Monoterpenphenole). Weitere Inhaltsstoffe: Monoterpen-Alkohole (u. a. Linalool, Geraniol, Borneol), Gerbstoffe (Phenolcarbonsäuren, u. a. Kaffeesäure, Rosmarinsäure), Flavonoide und Triterpene (Bitterstoffe, u. a. Ursol- und Oleanolsäure) sowie diverse Vitamine, Spurenelemente, essentielle und nicht-essentielle Aminosäuren, Kohlenhydrate, Ballaststoffe und Fettsäuren.
Die von Thymian gebildete Menge an ätherischem Öl ist in den klimatisch heißesten Anbaugebieten am höchsten. Je nach Herkunft unterscheidet sich auch die chemische Zusammensetzung: Wird die Staude z. B. aus höheren Lagen in die Ebene verpflanzt, bildet sie ätherische Öle in einem anderen Mengenverhältnis. Sommerthymian enthält mehr Carvacrol als Winterthymian. Unterteilt werden mehrere genetisch und klimatisch bedingte Chemotypen (= chemische Rassen mit spezifischen Verbreitungsarealen; Schimmel 2014), deren ätherische Öle sich im Duft entsprechend ihrer hierfür dominanten Bestandteile – dies sind vor allem Thymol, Carvacrol und p-Cymen – unterscheiden, u. a. die Chemotypen „Thymol” (scharf-würzig), „Linalool” (Zitronenduft) oder „Geraniol” (Geranienduft). Der Chemotyp „Carvacrol” gehört mit seinen phenolhaltigen Komponenten zu den am stärksten antibiotisch wirkenden ätherischen Ölen (Iten 2010). Nach der Destillationsmethode (Wasserdampfdestillation) unterscheidet man zudem „Rotes Thymianöl” mit würzigem Geruch (Rohdestillat; braun oder orange) und das eher mild-süßlich riechende „Weiße Thymianöl” (Mehrfach-Destillation; blassgelb oder klar).
Die Wirksamkeit von Thymianmedikamenten gegen Husten, Bronchialkatarrh und Bronchitis ist durch klinische Studien belegt. Aufgrund von präklinischen Studien (Laborversuchen) und Schlussfolgerungen aus langjähriger Anwendung (traditioneller Verwendung) sind weiterhin als plausibel anzusehen: adstringierende („zusammenziehende”) Wirkung der enthaltenen Gerbstoffe, die Verdauungsförderung durch Bitterstoffe, antimikrobielle, antivirale, antiseptische (= keimzahlreduzierende), antiphlogistische (= entzündungshemmende), analgetische (= schmerzstillende), antioxidative, krampf- und hustenlösende Eigenschaften, ein antiparasitärer Effekt (besonders gegen Wurmkrankheiten) sowie antimykotische (= Pilzkrankheiten verhindernde) und konservierende Wirksamkeit. (z. B. Almanea et al. 2019; Assiri et al. 2016; Mancini et al. (2015); Iten 2010).
WARNHINWEISE
Ätherisches Thymianöl ist auch hochverdünnt wirksam und kontraindiziert bei Bluthochdruck, Neigung zu Epilepsie und Schilddrüsenüberfunktion. Vorsicht bei Personen mit zarter Haut (Kleinkinder)! Unverdünnt (d. h. Dosierung > 1 %) kann es bei äußerlicher Anwendung Haut- und Schleimhautreizungen verursachen. Keine Anwendung bei Schwangeren! Ansonsten besteht bei bestimmungsgemäßer Verwendung von Thymiankraut und Thymianöl nach bisherigen Kenntnissen keine Toxizität.
FORSCHUNG
Das ätherische Öl von Thymus vulgaris zeigte signifikante antimykotische und zytotoxische Wirkungen gegen Krebszellen (u. a. Al-Shahrani et al. 2017; Kubatka et al. 2019).
Erfolgreiche Versuche, Thymianpflanzen mit einem höheren Gehalt an ätherischem Öl zu erhalten, gelangten durch Polyploidisierung (diploid zu tetraploid nach Behandlung mit Oryzalin) (Shmeit 2020).
Thymianextrakt bindet kompetitiv an Oestradiol- und Progesteronrezeptoren. Somit besitzt der Thymian – jedoch schwächer als Hopfen – auch die hormonelle Wirksamkeit von Östrogen (= weibliches Geschlechtshormon). Ob dies für Menschen relevant sein könnte, ist ungeklärt (Zava et al. 1998). Doch gibt es Hinweise auf eine menstruationsfördernde und abortive Wirkung, weshalb von einer Anwendung des Thymians während der Schwangerschaft und Stillzeit abgeraten wird.
Das Verbot von antibiotischen Futtermittelzusätzen mit dem Ziel der Leistungssteigerung und -absicherung in der Nutztierhaltung führte zur verstärkten Suche nach Alternativen. Gefunden wurden diese in Form von phytogenen Zusatzstoffen. Als besonders wirkungsvoll mit großem Entwicklungspotential erwies sich hierbei Thymian (wie auch einige weitere Heilpflanzen, z. B. Oregano, Salbei, Koriander) (Ehrlinger 2009).
ANWENDUNGSGEBIET
Anwendung bei erkältungsbedingtem Husten, Pertussis (= Keuchhusten), Bronchitis, Katarrhen der oberen Luftwege, grippalem Infekt und gastrointestinalen Beschwerden (Magen- und Darmbeschwerden; inkl. Dyspepsie = Refluxkrankheit). Äusserlich (Gurgeln) bei Stomatitis (= Entzündung der Mundschleimhaut), Tonsillitis (= Mandelentzündung) und gegen Halitosis (Mundgeruch).
ANWENDUNGSART
Medizinisch verwendet werden die Blätter und Blüten (Thymi herba) von Thymus vulgaris (Echter Thymian) und Thymus zygis (Joch-Thymian) aus Anbaukulturen.
Ebenso gebräuchlich (Serpylli herba) ist der einheimische Quendel oder Arznei-Feld-Thymian (Thymus pulegioides, zur Sammelart Thymus serpyllum gehörend) mit weitgehend ähnlichen Inhaltsstoffen und Wirkungsspektrum. Bei den verschiedenen Kleinarten von Thymus serpyllum gibt es jedoch erhebliche Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung und damit auch in ihrer Wirkung.
Zur innerlichen Anwendung kommen durch Wirkstoffkonzentration und Trocknung hergestellte Trockenextrakte gegen Husten und Erkältung in Form von Tee oder Medikamenten (Hustentropfen, Hustensaft, Dragees), Tinkturen (Extraktion in Alkohol; 1:10 verdünnt z. B. zum Gurgeln: 40 Tropfen, 3 x täglich; max. 120 Tropfen/Tag) und Sirup (Thymi sirupus; Tinktur mit Saccharose und Glycerol; täglich 3 x 10 ml) – zumeist in Kombinationspräparaten (Tropfen, Sirup, Säfte) und oft zusammen mit weiteren Kräutern. Äußerliche Verwendung auch als Aufguss (Kompresse, Wickel, Umschläge): 50 g Thymiankraut auf 1 Liter heißes Wasser, 5 Minuten ziehen lassen, auswringen und auf die Brust legen.
Für Tee verwendet man einen Teelöffel (= 1,4 g) getrockneten Thymian auf 150 g kochendes Wasser; 5 bis 10 Minuten ziehen lassen und dabei abdecken, damit die ätherischen Öle nicht entweichen; anschließend absieben. Bei Husten 3–4 Tassen täglich (= Tagesdosis: 3–8 g) unabhängig von den Mahlzeiten; die Einnahme zur Verdauungsförderung erfolgt dagegen vor oder während der Mahlzeiten.
Innerlich eingenommen kann das ätherische Öl zu einer starken Reizung der Mundschleimhäute führen. Die Anwendung des Öls wird daher nur äußerlich empfohlen und dann auch nur verdünnt (1 : 100, z. B. mit Oliven- oder Sonnenblumenöl). Im Hausgebrauch dient das verdünnte Öl zum Einreiben, als Badezusatz (1 Tropfen Thymianöl pro Liter Badewasser; 35–38°C; 10–20 Min.) und zur Inhalation bei Erkältungssymptomen und -krankheiten (1–2 Tropfen auf 1 Liter kochendes Wasser).
GETRÄNKE
Zahlreiche Kräuter, darunter auch Thymian, verfeinern die auf der Basis von Wein hergestellten Aperitifs (für Cocktails und Longdrinks, z. B. „Rosso Antico” mit 32 Kräutern und Gewürzen) wie auch italienische Wermutgetränke, z. B. „Vermouth di Torino“, „Martini” und „Cinzano” oder den Bitterlikör „Campari”. Im halbbitteren Kräuterlikör „Russischer Kräuter-Balsam“ aus Osteuropa sorgt neben Rosenöl, Kalmus und Enzian auch der Thymian für einen unverwechselbaren Geschmack. Auf Ibiza wird „Hierbas Ibicencas” (mit 18 Kräutern, u. a. Thymian, Anis, Zitrone, Orange) als wirksam gegen Verdauungsbeschwerden angepriesen. Wegen seines aromatischen und leicht bitteren Geschmacks dürfte Thymianextrakt als wichtiger Bestandteil in den meisten Kräuter- und Bitterspirituosen (z. B. „Underberg”, „Chartreuse”) enthalten sein. Deren Rezepte werden zumeist geheim gehalten, doch aufgrund vorhandener Wirkung können solche Kräuterbitter durchaus als Kombination aus Arznei- und Genussmittel betrachtet werden.
SPEISEN
Thymian ist ein beliebtes Gewürz vor allem in der mediterranen Küche und kann frisch, tiefgefroren oder getrocknet, grob zerkleinert, gerebelt oder gemahlen verwendet werden. Sein Aroma ist beständig und bleibt beim Kochen oder Garen erhalten. Getrocknet ist die Würzkraft stärker als in frischem Zustand. Die verdauungsfördernde Wirkung wird besonders bei fetten Fleischgerichten geschätzt: Rindfleisch (z. B. in Bœuf bourguignon), Schweinefleisch (z. B. zu Gyros), Lammfleisch (z. B. in Döner Kebab), Geflügel (z. B. zu Coq au Vin), Wild, Leber- und Blutwurst. Geflügel, Fisch und Meeresfrüchte werden gerne mit Zitronenthymian (Thymus × citriodorus) gewürzt.
Thymian dient auch zum Würzen von Gemüse wie Zucchini, Aubergine, Paprika, Tomate und Hülsenfrüchten; er passt gleichfalls zu Kartoffeln, Pilzen und den meisten vegetarischen Gerichten. In der französischen Kräutermischung „Fines herbes” würzt er getrocknet oder frisch gehackt mit Schnittlauch, Kerbel, Estragon und Petersilie zum Beispiel Suppen, Saucen, Fleisch und Fisch. Zusammen mit Petersilie und Lorbeer gehört er zu den drei Basisgewürzen in Kräutersträußchen („Bouquet garni”) und bildet mit Rosmarin und Bohnenkraut die Grundlage der Gewürzmischung „Kräuter der Provence“, wobei jeweils weitere Gewürze variabel hinzugefügt werden (u. a. Oregano, Basilikum, Lavendel, Majoran, Salbei) – eine unverzichtbare Zutat z. B. zum Gemüseschmortopf „Ratatouille”. Auch Käsesorten (Ziegenkäse, Frischkäse) und selbst Süßspeisen und Obstgerichte (z. B. mit Zitrusfrüchten, Äpfeln, Pfirsichen) lassen sich mit Thymian verfeinern.
KOSMETIK
Zur Herstellung von Kosmetika wird zumeist der Quendel (Thymus pulegioides) verwendet. Die Werbung empfiehlt Pflegeprodukte mit Thymian gegen unreine Haut, besonders gegen Pickel (Akne). Angeboten werden entsprechende Mittel auch gegen fettige Kopfhaut und Schuppen. Das Öl ist in vielen Parfüms, Deos und Fußcremes enthalten.
TIPPS
Eine „mobile Alternative” zum Inhalieren mit Wasserdampf, falls man Anzeichen von Husten und Halsschmerzen verspürt und gerade unterwegs ist: Einen Tropfen ätherisches Thymian-Öl auf ein Taschentuch geben und mehrmals täglich einatmen.
Thymus vulgaris, ältere Pflanze
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Letzte Änderung: 12. Januar 2021
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: 12. Januar 2021
Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2020): Thymian (Thymus vulgaris, Thymus zygis, (Thymus pulegioides = Thymus serpyllum)) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in CH-Brunnen: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).
Bildnachweise
• Quendelzeichnungen (Tafel): Thomé, O. W. (1885): Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz. – Bd. 1–3; Gera. (Foto: BioLib.de);
• Verbreitungskarten von Thymus vulgaris, T. zygis, T. pulegioides: Euro+Med PlantBase Project. Botanical Museum, Helsinki, Finland 2018; Data from BGBM Berlin-Dahlem, Germany. Source: World Checklist of Selected Plant Families (2010), © The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew;
• Wasserdampfdestillation: aus Gildemeister, E. & F. Hoffmann (1910) – siehe nachfolgend;
• Karbol-Zerstäuber: aus Iten, F. (2010) – siehe nachfolgend;
alle weiteren Fotos und Abbildungen:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg
Zitierte Literatur
→ Standardwerke, Lehrbücher und weiterführende Literatur finden Sie im Literaturverzeichnis (home-Seite oder (http://www.kraeuterabc.de/literatur/)
Almanea, A. et al. (2019): The Potential Gastrointestinal Health Benefits of Thymus vulgaris Essential Oil: A Review. – Biomedical & Pharmacology Journal 12 (4): 1793–1799.
Al-Shahrani et al. (2017): Evaluation of antifungal activity and cytotoxicity of Thymus vulgaris essential oil. – Pharmacogn. Commn. 7 (1): 34-40.
Assiri, A. M. A. et al. (2016): Bioactive Compounds of Cold-pressed Thyme (Thymus vulgaris) Oil with Antioxidant and Antimicrobial Properties. – J. Oleo Sci. 65 (8) 629–640.
Busch, K. (2019): Der vielseitige Einsatz von Thymian in der allgemein-internistischen Praxis. – Arbeit zur Erlangung des Fähigkeitsausweises in Phytotherapie; 41 S. (https://www.smgp.ch/ smgp/homeindex/faehigkeitsprogf/zertifikatsarbeiten/BuschKerstin.pdf).
Ehrlinger, M. S. (2007): Phytogene Zusatzstoffe in der Tierernährung. – Dissertation Univ. München; 248 S.
Gildemeister, E. & F. Hoffmann (1910): Die Ätherischen Öle. Band I+II+III. – 2. Aufl.; 697+713+836 Seiten; Leipzig (Schimmel).
Haas, H. (1956): Spiegel der Arznei. Ursprung, Geschichte und Idee der Heilmittelkunde. – 259 S.; Berlin (Springer); DOI 10.1007/978-3-642-49859-6
Iten, F. (2010): In-vitro Vergleiche der antimikrobiellen Wirkung von pflanzlichen Vielstoffgemischen, artifiziellen Stoffkombinationen und phytogenen Monosubstanzen am Beispiel des ätherischen Öls von Thymus vulgaris. – Dissertation Univ. Zürich; 146 S.
Kubatka, P. et al. (2019): Anticancer Activities of Thymus vulgaris L. in Experimental Breast Carcinoma In Vivo and In Vitro. – Int. J. Mol. Sci. 20, 1749; doi:10.3390/ijms20071749.
Mancini, E. et al. (2015): Studies on Chemical Composition, Antimicrobial and Antioxidant Activities of Five Thymus vulgaris L. Essential Oils. – Molecules 20: 12016-12028; doi:10.3390/molecules200712016.
Reinhardt, L. (1911): Kulturgeschichte der Nutzpflanzen. – Band IV, 2. Hälfte; 756 S.; München (E. Reinhardt).
Röhricht, C. et al. (2008): Anbautechnische Optimierung des Ertrages und Wirkstoffgehaltes bei ausgewählten Heil- und Gewürzpflanzen. – Schriftenreihe d. Landesamtes f. Umwelt, Landwirtsch. u. Geologie 23; 70 S. (Leipzig).
Schimmel, J. (2014): Molekulare Mechanismen der Ausprägung von Chemotypen in Thymus vulgaris – Dissertation Univ. Halle-Wittenberg; 197 S.
Shmeit, Y. H. et al. (2020): Autopolyploidy effect on morphological variation and essential oil content in Thymus vulgaris L. – Scientia Horticulturae 263 (109095); 7 Seiten (Elsevier).
Zava, D.T., C. M. Dollbaum & M. Blen (1998): Estrogen and progestin bioactivity of 17 foods, herbs, and spices. – Proc. Soc. Exp. Biol. Med. 217 (3): 369-378.