Bei der Schwertlilie Iris x germanica handelt es sich um eine sogenannte „Kulturhybride”, die auf Kreuzungen südeuropäischer Iris-Arten (u. a. mit Iris lutescens aus dem westlichen Mittelmeergebiet) zurückzuführen ist. Früher wurden die Variationen Iris germanica var. germanica und var. florentina unterschieden und sie galten als Ausgangsform der heutigen Bartschwertlilien (Rhizomiris-Gruppe) mit „Haaren” auf den Hängeblättern und dem Vorhandensein eines Wurzelstocks, durch die sie von anderen Irisarten mit einer Zwiebel (Stammart: Iris reticulata) unterschieden wurden.
Die Schwertlilie ist eine ausdauernde, bis etwa 1 m hoch wachsende Pflanze mit „schwert”-förmigen, grasgrünen Grundblättern, die im Mai/Juni von einem Stengel überragt werden, an dem sich bis zu 6 duftende, rund 10 cm große blauviolette Blüten entwickeln. Eine jede trägt 6 Blütenkronblätter: außen 3 etwas dunklere zurückgebogene „Hängeblätter“ mit Aderzeichnung an der Basis und einem Streifen gelber Haare („Bart“), innen 3 etwas hellere, aufrecht stehende „Domblätter“. Die Pflanze besitzt einen dicken, knolligen und oberflächig kriechenden Wurzelstock (Rhizom), mit dem sie sich schnell ausbreitet. In einer großen Fruchtkapsel befinden sich kantige und runzelige, rotbraune Samen.
Die Gattung Iris umfaßt mehr als 200 Arten, viele Zierpflanzen-Züchtungen und Hybriden.
Medizinisch verwendet werden auch die schon im Mai blühende Variation Iris x germanica florentina (syn. Iris florentina, Florentiner Schwertlilie, meist bis 60 cm hoch) mit weißer Grundfarbe und die blaßblaue, bis 150 cm hohe und intensiv duftende Iris pallida (Blasse Schwertlilie). In der Homöopathie ist zudem die bartlose, bis 75 cm hohe Buntfarbige Schwertlilie Iris versicolor gebräuchlich.
In Mitteleuropa einheimisch ist u. a. die gelbe Sumpf-Schwertlilie (Iris pseudacorus), deren giftiger Wurzelstock in früheren Zeiten volkstümlich zur Wundbehandlung diente.
Die Hybridart Iris x germanica kommt auch mit mitteleuropäischem Klima zurecht, obwohl die Stammformen im Mittelmeergebiet beheimatetet sind. Ihre Verbreitung wurde durch die Landgüterordnung Karls des Großen (Capitulare de villis) aus dem Jahre 795 gefördert: Iris (x) germanica stand unter dem Namen „Gladiolus” in der Aufzählung jener 72 Nutz- und Heilpflanzen, deren Anbau für alle königlichen Güter und Klöster verbindlich war. Im Freiland anzutreffende Pflanzen sind aus Gärten oder Kulturen verwildert und man trifft auch auf weitere Hybridforme, z. B. Iris x germanica x Iris pallida.
Die Heimat von Iris x germanica florentina vermutet man im Hochland von Jemen. Die stabilere Hybridart Iris pallida ist wildwachsend auf dem Balkan, in Italien, Syrien, Palästina und Kreta anzutreffen; ihren Ursprung vermutet man im dalmatinischen Teil Kroatiens. Iris versicolor wächst im Nordosten Nordamerikas (Labrador bis Virginia) und gelangte von dort nach Mitteleuropa.
Die Arten der Iris-Rhizomiris-Gruppe sind weitgehend winterhart und bevorzugen einen eher sonnigen (Halblichtpflanzen, z. B. Iris x germanica) oder schattigeren Standort (Halbschattenpflanzen, z. B. Iris pallida) und gedeihen ansonsten auf nahezu jedem Gartenboden. Iris x germanica florentina ist frühblühend, wärmebedüftig und wächst in der prallen Sonne. In Mitteleuropa sind die o. g. Pflanzen in der Regel ausgewildert und eher selten anzutreffen, z. B. auf Halbtrockenrasen und an felsigen Mauern (Weinbergen) mit kalkhaltigen und wasserdurchlässigen Stein- und Lehmböden. Echte Wildvorkommen beschränken sich wahrscheinlich auf das Mittelmeergebiet. Die amerikanische Iris versicolor bevorzugt Halbschatten mit feuchtem bis nassem Boden und wächst sogar in flachen Gewässern.
Iris-Arten kultiviert man überwiegend im nördlichen und nordöstlichen Mittelmeerraum, doch auch in den verschiedenen Klimaten Russlands und Nordafrikas – in erster Linie jedoch als Zierformen, z. B. für Stein- und Wassergärten. Für die Drogengewinnung werden die Pflanzen schon seit dem Mittelalter besonders in Oberitalien (Toskana) und zu geringerem Anteil auch in Südfrankreich in kleineren Einheiten an Hügeln, Bergabhängen oder in Weinbaugebieten angebaut.
Zur Vermehrung teilt man die Wurzelstöcke nach der Blüte (Ableger) oder verwendet die jungen und bereits bewurzelten Triebe zweijähriger Rhizome. Ableger werden im Frühjahr oder Herbst im Abstand von 25 cm in 10 cm Tiefe mit der Schnittfläche nach oben eingepflanzt. Möglich ist auch eine Aussaat der schwer keimenden Samen im Herbst; Voraussetzung hierfür ist zumeist die künstliche Bestäubung der Blüten. Die Ernte erfolgt im zweiten oder dritten Jahr zwischen Juli und Herbst. Getrocknet wird nach dem Waschen und Schälen etwa 5 bis 6 Tage lang imFreien (z. B. auf Rohrmattengestellen) oder bei etwa 40 °C in Trockenöfen, wobei sich allmählich der veilchenartige Duft entwickelt. Für das volle Aroma (Umwandlung der Vorstufensubstanzen: Cycloiridale in Irone) ist eine dreijährige Lagerung erforderlich, die sich in einem Fermenter mit Hilfe des Bakteriums Serratia liquefaciens bei höherer Ausbeute auf 8 Tage verkürzen läßt.
Ägyptische Darstellungen der Iris-Blüte aus der Zeit um 1500 v. Chr. fand man auf dem Zepter eines Pharao. Tempelfunde deuten darauf hin, daß man die Pflanze vor allem zur Herstellung von Puder und Parfüm verwendete. Diesem Hauptzweck diente die Schwertlilie wegen ihres Wohlgeruchs auch bei den alten Griechen sowie den Römern, die sie der Göttin Juno weihten. Als Zierpflanze kam Iris x germanica im frühen Mittelalter nach Mitteleuropa. Mit ihren Blättern färbte man Wolle und seit dem 16. Jh. auch Leinen grün, während die Blüten von Iris pseudacorus einen gelben Farbstoff lieferten. Die medizinische Bedeutung war eher gering. Das Kauen ihrer Wurzel soll zur Verbesserung des Atems bei Mundgeruch geholfen haben.
Die Iris-Blüte ist im Stadtwappen von Florenz (Iris x germanica „florentina”) und seit dem 12. Jh. in verschiedenen Ausführungen im königlichen französischen Wappen enthalten. Die bourbonische Lilie (bzw. Schwertlilie) schmückte eine Zeitlang die Flagge Frankreichs (Lilienbanner) und dient seit der Französischen Revolution den Royalisten als politisches Abzeichen. Die drei inneren Blütenblätter symbolisieren Glaube, Weisheit und Tapferkeit.
Bei den Indianerstämmen Nordamerikas gehörte die Schwertlilie (Iris versicolor) zu den meistgenutzten Heilpflanzen. Sie verwendeten die zerstampfte Wurzel vor allem zur Steigerung der Abwehrkräfte, bei Atemwegserkrankungen, als Brech-, Abführ- und harntreibendes Mittel, zur äußeren Wundbehandlung und pulverisiert mit Speichel vermischt gegen Mittel- und Innenohrentzündung. Nach dem Glauben der Indianer soll sie ihre volle Heilkraft erst dann entfalten, wenn die Ernte in mondlosen Nächten nach Mitternacht erfolgte.
„Veilchenwurzel” ist eine ältere Bezeichnung für den Iris-Wurzelstock und nicht mit der Wurzel des Wohlriechenden Veilchens (Violae odoratae radix) zu verwechseln. Beiden gemeinsam ist der Duft, verursacht durch ätherisches Öl mit dem veilchenartig duftenden Inhaltsstoff „Iron”, ein zyklisches Terpenketon.
„Iris” ist die griechische Göttin des Regenbogens, der Himmel und Erde verbindet. Der Artname „germanica” wurde von Linné in der falschen Annahme vergeben, daß die Pflanze in Deutschland heimisch sei; „pallida” kommt von lat. pallidus (bleich, fahl) – nach der hellen Blütenfarbe.
Alle im Freiland vorkommenden Iris-Arten sind geschützt und überwiegend als „„stark gefährdet” eingestuft.
Der geruchlose frische Wurzelstock enthält als Hauptwirkstoff 0,1 bis 0,2 % Ätherisches Öl in butterartiger Konsistenz („Irisbutter”) mit rund 10 % Cycloiridalen als Vorstufen der veilchenartig duftenden Ironen (Hauptträger des Dufts: cis- -Iron) und 90 % Myristinsäure; außerdem 1 % Triterpene, Isoflavonoide (u. a. Irigenin), Xanthone (u. a. Irisxanthon), Schleim- und Gerbstoffe, Zucker und 20 bis 50 % Stärke.
Wirkungen könnten auf Flavonoide zurückzuführen sein, für die in ihrer Vielzahl ein breites Wirkungsspektrum nachgewiesen ist.
Das im Wurzelstock enthaltene Isoflavonoid Irigenin hemmt das Enzym c-AMP-Phosphodiesterase. c-AMP (zyklisches Adenosinmonophosphat) ist eine zentrale Substanz (Second messenger) bei der hormonalen Regulation des Zellstoffwechsels (bewirkt die Hydrolisierung von zyklischem zu azyklischem AMP).
Höhere Dosierung kann Übelkeit und Erbrechen, Bauchschmerzen und blutigen Durchfall auslösen. Von einer Verwendung als Brech- und Abführmittel ist abzuraten.
Der Saft von frischen Pflanzen wirkt hautreizend und führt zu Entzündungen auf den Schleimhäuten.
Arzneidroge: Iridis rhizoma (Schwertlilienwurzelstock)
Anwendung als reizlinderndes und auswurfförderndes Mittel bei Atemwegserkrankungen; wissenschaftliche Belege für eine Wirkung liegen jedoch nicht vor. Auch die Anwendungsgebiete „entgiftend” und „blutreinigend”, magenstärkend und „drüsenanregend“ zur Förderung der Nierentätigkeit und bei Hauterkrankungen sind nicht belegt.
Kombinationen nimmt man volkstümlich u. a. auch bei Magen-Darm-Störungen (z. B. Darmträgheit, Appetitlosigkeit, Völlegefühl, Blähungen), Herz-, Nerven-, Harnwegs- und Hauterkrankungen, Geschwülsten, Rheuma, Asthma, Diabetes, verschiedene Schmerzzustände, Brand- und Schnittwunden, wobei die Wirksamkeit auch hierbei nicht belegt ist.
Die Wurzeldroge von Iris x germanica, Iris x germanica florentina und Iris pallida wird zumeist als Tinktur verwendet.
Früher gab man zahnenden Kindern sogenannte „Beiß-” oder „Zahnwurzeln”, die aus gedrechselten Iris-Wurzelstöcken bestanden und gekaut wurden. Da sich auf diesen auch Mikroorganismen ansiedeln, wird aus Hygienegründen von einer Verwendung abgeraten.
In der Homöopathie verwendet man zumeist die schwach giftige Buntfarbige Schwertlilie Iris versicolor als Tinktur oder Flüssigextrakt; sie enthält in geringerer Konzentration ähnliche Inhaltsstoffe wie die giftigere Sumpf-Schwertlilie Iris pseudacorus (Ätherisches Öl, Glykosid Iridin, Isophthalsäure). Anwendung in homöopathischen Dosen u. a. bei Verdauungsstörungen, Schilddrüsenerkrankungen, Migräne, Ischias und Kopfschmerzen. Iris pseudacorus gebraucht man nur noch selten, z. B. bei psychisch bedingter, depressiver Migräne und Trigeminus-Neuralgie.
Auszüge und Ätherisches Öl des Schwertlilienrhizoms werden als Geschmacksstoff mit bitterem Aroma in der Likörindustrie verwendet, z. B. in Benediktiner, Danziger Goldwasser oder Cordial Medoc; sie dienen außerdem zum Würzen von Wein (z. B. einige Chianti-Weine).
Zubereitungen aus dem geschälten und getrockneten Wurzelstock sind Bestandteil mancher Hustentees (z. B. „Brusttee”) und auswurffördernder Mittel. Sie dienen allein zur Geschmacksabrundung und haben nach bisheriger Kenntnis keinen therapeutischen Nutzen.
Das Ätherische Öl wird bei der Herstellung von manchen Zuckerwaren, Gebäck und auch als Zugabe in Speiseeis verwendet.
Die Gewinnung des Ätherischen Öls („Veilchenwurzelöl”) erfolgt durch Wasserdampfdestillation des geschälten, getrockneten und gemahlenen Schwertlilienrhizoms von Iris germanica. Die für den Veilchenduft verantwortlichen Irone sind aber auch leicht zu synthetisieren. Verwendung in der Parfümerie vor allem zur Herstellung von Duftstoffen (z. B. Veilchen, Flieder, Lavendel, Teerose, Tabak) und als Parfüm-Fixiermittel.
Zubereitungen des Iris-Rhizoms dienen auch als Zusatz in Zahnpasta, Puder gegen Hautreizungen und als Beigabe in Riechkissen. Pulverisierte Wurzeln sind eine geeignete Basis für Trockenshampoos und Bestandteil mancher Gesichtspackungen; Wurzelpulver der Florentiner Schwertlilie nahm man früher als Duftstoff für die Wäsche.
„Potpourris” sind wohlriechende Kräutermischungen, die in einem verschlossenen Gefäß aufbewahrt werden und nach Öffnung des Deckels einen angenehmen Duft verströmen. Zur Bewahrung des Aromas gibt man Fixiermittel tierischer (z. B. Ambra, Moschus) oder pflanzlicher Art (z. B. Rosenöl) hinzu. Eine preiswerte und hervorragend wirksame Alternative für diese recht teuren Fixiermittel sind getrocknete und pulverisierte Iriswurzeln (Wurzelstock waschen, schälen, 1 cm dicke Scheiben in der Sonne trocknen, fein zerreiben). Ihre Besonderheit: Mit zunehmendem Alter verstärkt sich nicht nur die Fixierwirkung, sondern ebenso ihr Duft (siehe: „Kultivierung“). Besonders geeignet ist der Wurzelstock der Florentiner-Schwertlilie. Im Kleiderschrank verbreitet ein Säckchen mit Iris-Wurzelpulver einen angenehmen Duft und soll sogar die Motten vertreiben.
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Letzte Änderung: 11. Januar 2021
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: z. Z. in Arbeit (2021)
Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2020): Schwertlilie (Iris x germanica, Iris pallida) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in CH-Brunnen: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).
Bildnachweise
Alle Fotos und Abbildungen:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg
Zitierte Literatur
→ Standardwerke, Lehrbücher und weiterführende Literatur finden Sie im Literaturverzeichnis (home-Seite oder (http://www.kraeuterabc.de/literatur/)