Der Schlehdorn ist ein sommergrüner, max. 3-4 m hoher Strauch mit zahlreichen, oft waagerecht abstehenden, in spitze Dornen auslaufenden Seitenzweigen, deren Jungtriebe filzig behaart sind. Die bis 5 cm langen Blätter mit fein gesägtem Blattrand haben eine ungefähr elliptische Form (am Grund keilförmig und an der Spitze stumpf). Noch vor den Blättern erscheinen im März/April gestielte, 10–15 mm große weiße Blüten (je 5 Kelch- und Kronblätter). Sie stehen einzeln, aber meist dicht gedrängt. Im Verlauf des Sommers entwickeln sich zunächst grüne, im Reifezustand (Oktober) schwarz-bläuliche und stark bereifte Früchte mit kugelförmiger Gestalt (meist 8–12 mm). Das grüne Fruchtfleisch läßt sich nicht vom Steinkern lösen und schmeckt zunächst herb-sauer und zusammenziehend, nach Frosteinwirkung süßlich-mild.
Zur Fam. Rosaceae gehören die meisten beeren-, kern- oder steinobstbildenden Arten in den gemäßigten Breiten. Wirtschaftlich ist die Gatt. Prunus nach der Gatt. Malus (Apfel) die zweitwichtigste. Sie umfaßt u. a. Süß- und Sauerkirsche (P. avium, P. cerasus), Mandel (P. dulcis), Aprikose (syn. Marille, P. armeniaca), Pfirsich (P. persica) und Pflaume (syn. Zwetschge, P. domestica). Häufige Garten- und Zierpflanzen sind Kirschlorbeer (P. laurocerasus), Traubenkirsche (P. padus) und Japanische Kirsche (P. serratula).
Prunus spinosa ist wahrscheinlich in Vorderasien heimisch, hat sich in ganz Europa bis zum westlichen Nordafrika ausgebreitet und ist mittlerweile auch in Nordamerika zu finden.
Typische Standorte des sehr frostharten und recht anspruchslosen Strauchs (Halblichtpflanze, aber auch in sonnigen Lagen) sind Hecken und Gebüsche, Feldraine, sonnige Waldränder und lichter Laubwald; in der Kulturlandschaft wächst er als Pionierpflanze auf Brachland und wird als Hangbefestigung und zum Wind- Sicht- und Schneeschutz angepflanzt. Der Schlehdorn wächst auf mäßig trockenen bis frischen humosen, aber auch auf steinigen Böden, jedoch bevorzugt auf nährstoffreichen und schwach basischen (kalkreichen) Lehmböden im Flachland, in den Mittelgebirgen und Alpen (P. spinosa ssp. spinosa bis 1.600 m).
Die flachen Wurzeln sind kriechend und bilden Wurzelsprosse, mit denen er sich schnell ausbreiten kann (Wurzelkriechpionier) und dichte Dickichte bildet. In Gärten können seine bis zu 10 m langen Wurzelausläufer lästig werden.
Zur Herstellung der Droge dient überwiegend Sammelmaterial aus Wildvorkommen in Ost- und Südosteuropa.
Der Schlehdorn wird als beliebte Gartenpflanze in mehreren Sorten kultiviert (z. B. P. spinosa purpurea oder P. spinosa plena mit wenig Dornen und rosafarbenen Blüten). Eine bekannte Kultursorte ist die als Pfropfunterlage genutzte und auch im Freiland anzutreffende Haferschlehe (Prunus x fruticans), eine neuere Kreuzung mit der Pflaume die Schlehenreneklode (P. spinosa x domestica). Die Vermehrung erfolgt durch Aussaat der Kerne, Stecklinge (einjährige Jahrestriebe mit Knospe), Absenker (Bewurzelung von Zweigen bei Bodenkontakt) oder Wurzelsprosse (Abschneiden und Umpflanzen von Wurzelausläufern). Als Zimmerpflanzen sind im Handel auch „Bonsai-Schlehen“ erhältlich.
Zur Verwendung als Nahrungsmittel (z. B. Saft, Getränke) erntet man die Früchte erst im Spätherbst nach den ersten Nachtfrösten, die eine Verringerung des Gerbstoffgehalts und den Wechsel zu süßlich-mildem Geschmack bewirken. Zu Heilzwecken müssen die Früchte vor dem ersten Frost geerntet werden, denn Gerbstoffe sind der wirksame Hauptbestandteil.
Blüten werden bei trockenem Wetter vor dem Erscheinen der Blätter gesammelt und sind schnell und schonend zu trocknen.
Archäologische Funde von Schlehdorn-Kernen in Pfahlbauten deuten darauf hin, daß die Früchte schon in der jüngeren Steinzeit der menschlichen Ernährung dienten. Über die Verwendung bei Griechen und Römern ist wenig bekannt. Die Germanen legten mit dem Schlehdorn Schutzhecken an. Seine Rinde lieferte einen roten Farbstoff zum Färben von Naturfasern und der Saft galt als Enthaarungsmittel.
Als Heilpflanze wird er in mittelalterlichen Kräuterbüchern erwähnt. Die Blüten dienten als Mittel gegen Durchfall, Herz und Magendrücken, die Beeren gegen Zahnfleisch- und Halsentzündungen. Schlehenmus war ein Stärkungsmittel nach Krankheiten. Hildegard von Bingen (1098–1179) empfahl die mit Honig gesüßten Schlehdornfrüchte gegen Gicht und gebraten oder gekocht als Hilfe für den schwachen Magen. In der traditionellen Heilkunde kamen neben Früchten und Blüten auch Blätter (für reinigende Aufgüsse) und Rinde (als Fiebermittel) zur Anwendung.
Um den dornigen Strauch rankten sich auch allerlei Aberglauben und Hexenbräuche. Das harte Holz ist für Drechselarbeiten geeignet und diente zur Herstellung von Spazierstöcken.
Es wird angenommen, daß die aus dem vorderen Orient stammende Kultur-Pflaume oder Zwetschge ursprünglich durch eine Kreuzung zwischen dem Schlehdorn und der aus Westasien stammenden Kirschpflaume (Prunus cerasifera, etwas größer als eine Kirsche, gekocht mit aromatischem Pflaumengeschmack) entstanden ist.
Als „Prunus“ (griech. „prumnon“) wurde ursprünglich nur der Pflaumenbaum (Prunus domestica) bezeichnet. Linné verwandte den Namen anstelle von älteren Gattungsbezeichnungen für die Steinobstarten. Lat. „spinosus“ bedeutet „dornig, stachelig“. Der Name „Schlehe“ ist auf althochdeutsch „sleha“ (Name für den herben Geschmack der Früchte) zurückzuführen; „Schwarzdorn“ bezieht sich auf die dunkle Rinde älterer Zweige und Äste.
Der Schlehdorn ist wegen seiner Dornen und dichten Verzweigung eines der wichtigsten Vogelschutzgehölze; seine Früchte dienen als Nahrung für etwa 20 Vogelarten und die Blüten sind eine pollen- und nektarreiche Weide für fast ebensoviele Wildbienenarten. Er dient weit über 100 Insektenarten als Lebensraum.
Das Fruchtfleisch enthält vor allem Gerbstoffe, Invertzucker, Pektin und Fruchtsäuren, in frischem Zustand auch Ascorbinsäure (bis zu 60 mg Vitamin C pro 100 g Fruchtfleisch). Wesentliche Inhaltsstoffe der Blüten sind ca. 2,5 % Flavonoide (u. a. Hyperosid, Quercetin, Rutin).
Das cyanogene Glykosid Amygdalin ist in Blüten und Fruchtfleisch gar nicht oder nur in Spuren enthalten, kommt aber zu einem höheren Anteil (bis 3 %) in den Samen vor.
Die Inhaltsstoffe der Früchte wirken durch die enthaltenen Gerbstoffe adstringierend (zusammenziehend). Schlehdornblüten sollen mild abführend und harntreibend sein.
Gegenanzeigen und Nebenwirkungen der Droge sind nicht bekannt.
Die im Kern enthaltenen Samen sind giftig (Blausäureglykosid Amygdalin). Alle Prunus-Arten können Nahrungsmittelallergien vom Soforttyp verursachen.
Arzneidroge: Pruni spinosae fructus (Schlehdornfrüchte)
Anwendung aufgrund der astringierenden (zusammenziehenden) Eigenschaften bei leichten Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut, volkstümlich auch bei Hals- und Zahnfleischentzündungen.
Die Wirksamkeit der Droge Pruni spinosae flos (Schlehdornblüten) ist für die nachfolgend genannten Anwendungen nicht ausreichend belegt:
traditionell bei Erkältungs- und Atemwegserkrankungen und als schweißtreibendes Mittel, bei Magen-Darm-Erkrankungen (Durchfall, Magenkrämpfe, Blähungen, Magenschwäche, als Abführmittel), Nieren- und Blasenleiden (Blasenkrämpfe, als harntreibendes Mittel) sowie bei Erschöpfungszuständen, in der Genesungsphase nach Erkrankungen, zur „Blutreinigung“, Appetitanregung und Verdauungsförderung; äußerlich bei Hautausschlägen und –unreinheiten (Exanthemen).
Pruni spinosae fructus (Schlehdornfrüchte): Verwendet werden die frischen oder getrockneten, reifen und zerkleinerten Früchte von Prunus spinosa in wirksamer Dosierung (2–4 g Tagesdosis); Zubereitungen entsprechend. Üblich ist die Anwendung als Gurgelmittel für Mundspülungen (Teeaufguß): 2 g Droge (etwa 1 gehäufter TL) auf 150 ml (1 Tasse) kochendes Wasser, 10–15 Min. ziehen lassen; 2 x tgl. spülen oder gurgeln. Der Fruchtextrakt ist in einer Schnupfencreme enthalten, ansonsten sind nur wenige Präparate im Handel.
Pruni spinosae flos (Schlehdornblüten): Die Droge besteht aus den vor Erscheinen der Blätter gesammelten und getrockneten, entfalteten Blüten und deren Zubereitungen. Eine Verwendung als Schmuckdroge oder Färbemittel in Teemischungen ist unbedenklich.
Für das Homöopathikum „Prunus spinosa” werden die frischen, vor dem Abfallen der Kronblätter gesammelten Blüten verwendet. Man nimmt sie bei Herzerkrankungen (leichter Herzmuskelschwäche), Ödemneigung (Geschwülste) und Nervenschmerzen im Kopfbereich, z. B. Nasoziliarneuralgie (entzündungsbedingter Schmerz am inneren Augenlid).
Schlehdornfrüchte sind aufgrund ihres Gehalts an Invertzucker zur Herstellung von Schlehenschnaps geeignet („Schlehenwasser“, „Schlehenbrand“, „Schlehengeist“). Schlehenwein dient als Abführmittel und soll eine harntreibende Wirkung besitzen; auch Glühwein ist gebräuchlich. Das wohl bekannteste Produkt ist „Schlehenfeuer“, ein herber Fruchtsaftlikör mit Rum. Für Schlehenlikör gibt es eine Vielzahl von Hausrezepten. Zutaten für das Grundrezept: 1 kg Früchte, 1 Liter Weingeist (Korn, Wodka), 250 g Zucker, Gewürze. Verfeinert wäre z. B. ein Ansatz mit Rotwein und Wodka, gewürzt mit Zimt, Anis, Vanille und Gewürznelken.
Zur Herstellung von Schlehensaft (Most) übergießt man gewaschene und angedrückte oder angeritzte Früchte vollständig mit kochendem Wasser. Der rote Saft wird nach 1–2 Tagen mit Zucker oder Gelierzucker (500 g auf 1 Liter Saft) unter ständigem Umrühren aufgekocht, gefiltert, in Flaschen abgefüllt und gut verschlossen.
Früchte, die zur Herstellung von Getränken vorgesehen sind, sammelt man nach den ersten Frösten, für Destillate erst im November oder Dezember. Weil die Ernte mühsam in Handarbeit erfolgen muß und daher teuer ist, werden Schlehdorn-Spirituosen kaum gehandelt und sind nahezu bedeutungslos.
Die Droge ist in einigen Blutreinigungs-, Abführ-, Schlankheits-, Nieren- und Blasentees enthalten (zumeist als Beimischung).
Zur Zubereitung einer Tasse (ca. 150 ml) Schlehdorn-Tee wird 1 gehäufter TL (entspricht etwa 1–2 g Droge) mit kochendem Wasser übergossen; gelegentlich umrühren und nach 5–10 Min. durch ein Sieb gießen. Empfohlen werden 1–2 Tassen tagsüber oder abends.
Die nach den ersten Frösten gesammelten Früchte werden meist zu einem aromatischen Saft (Most) gepreßt. Daraus hergestellte Produkte haben zwar nur noch wenig Gerbstoffe, gelten volkstümlich aber dennoch als heilsame Speisen, z. B. Schlehensirup zur Entwässerung und als Abführmittel oder Fruchtmarmelade und Gelee bei Magenschwäche und Krankheiten der Harnwege. Zur Geschmacksverbesserung lassen sich Schlehdornfrüchte mit anderen Feld- oder Gartenfrüchten mischen (z. B. Holunderbeeren, Hagebutten).
Schlehenblüten sind in einigen Körper-, Haut- und Pflegeölen, Cremes, Duschgels und Pflegemilch als Beimischung enthalten.
Wer die Früchte schon frühzeitig vor dem ersten Frost zu Lebensmitteln (z. B. Saft, Getränken oder Gelee) verarbeiten und sie nicht den Vögeln überlassen will, kann den natürlichen Frost durch Lagerung im Gefrierschrank ersetzen (einige Tage).
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Letzte Änderung: 18. November 2020
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: z. Z. in Arbeit (2021)
Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2020): Schlehdorn (Prunus spinosa) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in CH-Brunnen: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).
Bildnachweise
Alle Fotos und Abbildungen:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg
Zitierte Literatur
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