Die Schafgarbe Achillea millefolium ist eine meist 40 bis 70 cm hohe krautige Pflanze mit einem aufrechten, oben verzweigten Stengel und dreifach fiederteiligen Rosettenblättern. Ihre Blüten erscheinen zwischen Juni und Oktober und stehen am Stengelende in einer schirmförmigen, rispigen Scheindolde (Doldenrispe) mit 4 bis 10 cm Breite zusammen. An den 0,5 cm breiten zwittrigen Blütenkörbchen befinden sich gelbe Scheibenblüten mit einem einfächerigen Fruchtknoten und 5 Staubblättern, außerdem 5 überwiegend weiße oder rosa schimmernde Zungenblüten. Die Frucht ist eine 1,4 bis 2,5 mm große, einsamige Schließfrucht (Achäne).
Bei der Schafgarbe handelt es sich um eine polymorphe Gruppe verschiedener Sippen mit Kleinarten, Unterarten und Varietäten, die als Sammelart unter „Achillea millefolium agg.“ zusammengefaßt werden. Pharmazeutisch (Achillea millefolium s. l. = sensu latiore = im weiteren Sinne) erfolgt die Abgrenzung über einen Mindestgehalt an Proazulenen.
Nahe verwandt sind die volkstümlichen Heilkräuter Sumpf-Schafgarbe oder Wiesenbertram (Achillea ptarmica) und Moschuskraut, Bisamkraut oder Moschus-Schafgarbe (A. moschata, syn. A. erba-rotta spp. moschata).
Die Sumpf-Schafgarbe wird 30 bis 100 cm groß, hat ungeteilte, lineal-lanzettliche Blätter und 8 bis 13 weiße Zungenblüten. Man findet sie an feuchten und nährstoffreichen Standorten und kultiviert auch mit gefüllten Köpfchen als Zierpflanze. Sie enthält u. a. ätherisches Öl und Gerbstoffe, wirkt adstringierend (= zusammenziehend) und dient als Stärkungsmittel.
Das Moschuskraut hat einfach gefiederte Blätter und 6 bis 8 weiße Zungenblüten. Es ist in den Ostalpen und Apenninen beheimatet und wächst dort als Pionierpflanze auf kalkarmen Böden, z. B. Moränen, Steinschutt und Magermatten. Seine krautigem Teile („Ivakraut“) und Blüten („Ivablüten“, „Moschusblüten“) enthalten u. a. ätherisches Öl („Ivaöl“) und Bitterstoffe. Die Pflanze dient als aromatisches Bittermittel und soll harntreibend und verdauungsfördernd wirken.
Die Schafgarbe ist einheimisch und in ganz Europa sowie in Asien, Nordamerika, Australien und Neuseeland verbreitet. Als Stammpflanze gilt die in Mitteleuropa häufigste und von Linné beschriebene hexaploide Art Achillea millefolium spp. millefolium (2n =54). Die Achillea millefolium-Gruppe umfaßt auch einzelne di-, tetra- und octoploide Arten (2n = 18, 36, 72), die recht unterschiedliche Gebiete besiedeln.
Man findet die anspruchslose Schafgarbe weit verbreitet und häufig auf Wiesen, an Weg- und Feldrändern („Unkrautfluren“). Sie bevorzugt mäßig stickstoffreiche Böden mit ausreichender Wasserversorgung (Frischezeiger), aber ohne Nässe. Die Pflanze bildet zur Ausbreitung unterirdische Ausläufer, die sich horizontal zu einem ausdauernden Wurzelstock entwickeln.
Zu Heilzwecken verwendete Pflanzen (verschiedene Arten und Sippen aus der Achillea millefolium-Gruppe) stammen aus Sammlungen im Freiland und aus Kulturen; die Herkunftsländer liegen vorwiegend in Ost- und Südosteuropa (Rußland, Polen, Tschechien,Ungarn, Balkanländer, Bulgarien).
Bei der Ernte werden die Pflanzen über dem Boden abgeschnitten, gebündelt und getrocknet. Das blaue ätherische Öl gewinnt man durch Wasserdampfdestillation: 1 kg aus 600 kg blühenden Pflanzen.
Besonders die rot-, rosa-und gelbblühenden Arten und Sorten der Schafgarbe sind beliebte Gartenpflanzen und im Handel erhältlich (auch Hybriden von Achillea filipendulina).
Dioskurides (1. Jh. n. Chr.) empfahl die Schafgarbe zur Wundheilung („die Pflanze ist sehr gut gegen Blutflüsse, gegen alte und frische Wunden“). Spätestens seit dieser Zeit diente die Schafgarbe in erster Linie der Wundbehandlung und zur Blutstillung („Blutkraut“), besonders bei Kriegsverletzungen (angelsächsisch „Knight’s milfoil“ und „Soldier’s woundwort“; „Herba militaris“ in mittelalterlichen Kräuterbüchern). Diese Verwendung hielt sich zumindest in der traditionellen Heilkunde bis zum heutigen Tag.
Ob es sich bei den Beschreibungen früherer Autoren um Achillea millefolium gehandelt hat, ist aber mehr als zweifelhaft (allein in Griechenland und Kleinasien gibt es mehr als 20 Achillea-Arten).
In einigen Ländern nahm man die Schafgarbe anstelle von Hopfen zum Bierbrauen (z. B. in Schweden).
Der Gattungsname „Achillea“ geht auf den griech. Helden Achilleus zurück. Er soll mit der Schafgarbe während des Trojanischen Krieges die Wunden von Telephos geheilt haben; „millefolium“ bezieht sich auf die mehrfach gefiederten Blätter: lat. „mille“ (tausend) und „folium“ (Blatt).
Die Pflanze wird bei Krankheit an Schafe verfüttert („Schafgarbe“); „Garbe“ von althochdeutsch „garwa“ (= die Heilende).
Die Inhaltsstoffe der Sammelart „Achillea millefolium agg.“ unterscheiden sich nicht nur in morphologischer, zytogenetischer und chemischer Hinsicht, sondern auch nach Herkunft, Standort und Klima.
Wichtigste Wirkstoffe sind 0,2 bis 1 % ätherisches Öl mit 6 bis 19 % Azulen und über 100 weiteren Bestandteilen, u. a. Monoterpene (z. B. bis zu 23 % -Pinen, 20 % Campher, 12 % Sabinen, 10 % 1,8-Cineol) und Sesquiterpene (z. B. bis 10 % -Caryophyllen; Germacren D). Bei Wasserdampfdestillation gehen einige Sesquiterpene in Chamazulen über (Proazulene). Ätherisches Öl von proazulenhaltigen Pflanzen wie z. B. der Hügelschafgarbe (A. collina) enthält bis zu 25 % (max. 40 %) Chamazulen. Weitere terpenoide Verbindungen sind die Sesquiterpenlactone: vorwiegend Guajanolide (z. B. Achillicin; nicht azulenogen sind z. B. Achillin und Leucodin), daneben Germacranolide (z. B. Achillifolin, Millefin) und Eudesmanolide (z. B. Dihydroreynosin). Enthalten sind außerdem Polyacetylene, Phenolcarbonsäuren, Cumarine, ein breites Flavonoidspektrum, Alkaloide (Achillein) und weitere Stoffe.
Die Schafgarbe hat ähnliche Eigenschaften wie die Kamille und kann diese mit Ausnahme des Duftaromas ersetzen. Ihre Inhaltsstoffe wirken entzündungshemmend (u. a. durch die terpenoiden Substanzen), antifungal (gegen Pilze) und antimikrobiell (u. a. durch das ätherische Öl, die Sesquiterpenlactone und Polyacetylene), krampflösend (eine der Wirkungen von Flavonoiden und des ätherischen Öls), adstringierend (zusammenziehende Wirkung der Bitterstoffe, Sesquiterpenlactone), blutungshemmend (Achillein) und fördern die Gallensekretion.
Bei einer Allergie auf Korbblütler (Asteraceen- oder Kompositenallergie) sollten die Schafgarbe und nahe verwandte Arten gemieden werden. Zu beachten ist, daß deren Antigene (Hauptallergen ist das Sesquiterpenlacton -Peroxyachifolid) z. B. auch in Kräutershampoos, -kosmetika und -bonbons enthalten sein können. Die Schafgarbe ist einer der Auslöser der sogenannten „Wiesendermatitis“ (allergische Hautentzündungen beim direkten Hautkontakt mit bestimmten Pflanzen, z. B. auf Liegewiesen).
Arzneidrogen: Millefolii herba (Schafgarbenkraut) und Millefolii flos (Schafgarbenblüten) Innerliche Anwendung bei Reizzuständen und Beschwerden im Magen-Darm-Bereich (z. B. Krämpfe, Enzündungen, Blähungen Durchfälle), sowie bei Appetitlosigkeit.
Äußerliche Anwendung in Sitzbädern bei Unterbauchbeschwerden: schmerzhafte Krampfzustände aufgrund von vegetativ-nervösen Störungen im kleinen Becken der Frau.
In der traditionellen und volkstümlichen Heilkunde z. B. auch zur Wundheilung (in Wundsalben), bei Fieber, Hautkrankheiten, Leber-Galle-Leiden, Nieren- und Blasenerkrankungen, Koliken, Menstruationsbeschwerden, Hämorrhoiden, Rheuma und zur Blutdrucksenkung.
Verwendet werden die zur Blütezeit geernteten frischen oder getrockneten oberirdischen und zerkleinerten Teile von Achillea millefolium und die getrockneten Bütenstände (Doldenrispen).
Zur innerlichen Anwendung nimmt man als Tagesdosis 4,5 g Kraut oder 3 g Blüten für Aufgüsse oder 3 Teelöffel frischen Pflanzenpreßsaft zum Einnehmen; äußerlich für Sitzbäder 100 g Kraut auf 20 Liter Wasser.
Zahlreiche Fertigpräparate mit Schafgarbenextrakten sind im Handel erhältlich.
Traditionell wird die Droge auch zum Gurgeln (bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum), als Badezusatz (bei Schweißentwicklung), als Blütenaufguß zur Inhalation (bei Heuschnupfen und leichtem Asthma) und als Kompresse (bei Krampfadern) verwendet. Nasenbluten stillt man vielerorts mit einem in das Nasenloch gesteckte Schafgarbenblatt (auf dieselbe Weise läßt sich Nasenbluten aber auch verursachen).
Verwendung in der Homöopathie bei Krämpfen, Magen-Darm-Beschwerden, juckenden Hautkrankheiten, Blutungen und als Kreislauf- und Venenmittel (Krampfadern).
Die weit verbreitete und leicht erhältliche Schafgarbe dürfte in den meisten geheimen Rezepten für Kräuterbitter enthalten sein, z. B. im italienischen Alpenbitter „Braulio“, bei dem man weiß, daß hierfür u. a. Schafgarbe und Wacholderbeeren in der Umgebung des Braulio-Berges gesammelt werden.
Das ätherische Öl (Ivaöl) des mit der Schafgarbe nahe verwandten Moschuskrauts (Achillea moschata) wird zur Herstellung des Schweizer Ivalikörs (Ivabitter) verwendet. Dieses und die Schafgarbe sind auch im Cinzano Rosso enthalten.
Aufgrund der appetitanregenden wie auch der krampflösenden Wirkung bei unspezifischen Magenbeschwerden dürfte die Schafgarbe in vielen Kräuter- und Magenbittern enthalten sein. Deren Rezepte sind jedoch zumeist geheim (z. B. Underberg).
Schafgarbe ist aufgrund der krampflösenden Eigenschaften in den meisten Magen-Leber-Gallen-Tees enthalten.
Teemischung bei Erkältung: Pro Tasse 1 TL einer Mischung aus Schafgarbe, Holunderblüten und Pfefferminze mit heißem Wasser aufgießen, 10 Min. ziehen lassen, 3 x täglich.
In Speisen und Süßwaren mit Kräutern (z. B. Kräuterquark, -wurst und -käse; Kräuterbonbons) ist in vielen Fällen auch Schafgarbe beigefügt.
Die jungen Blätter eignen sich als verdauungsförderndes Küchengewürz besonders für fettige Speisen (traditionell zu Gänsebraten, Fleischeintöpfen) ebenso wie als Beigabe zu Salaten.
Schafgarbenextrakte werden vielen Naturkosmetika zugesetzt, z. B. Haar- und Hautpflegeprodukten wie Kräutershampoos, Käuter-Badezusätzen, Cremes und Lotions.
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Letzte Änderung: 28. Dezember 2020
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: z. Z. in Arbeit (2021)
Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2020): Schafgarbe (Achillea millefolium) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in CH-Brunnen: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).
Bildnachweise
Alle Fotos:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg
Zitierte Literatur
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