Die winterharte Preiselbeere ist ein immergrüner Zwergstrauch (10-30 cm) mit Winterfärbung im Herbst. Die verholzten Triebe breiten sich auch unter der Erde aus. Ihre verkehrt eiförmigen Blätter sind lederartig und am Rande leicht eingerollt. Sie haben eine dunkelgrün glänzende Oberseite; die Unterseite ist heller und mit braunen Drüsen punktiert. Im Frühjahr bis zum Sommer erscheinen in endständigen Trauben vereint 5 bis 6 mm große, weiße bis rötliche glockenförmige Blüten, aus denen sich zwischen Mai und Juli die erbsengroßen, herbsüßen und scharlachroten Beeren entwickeln. Häufig blühen die Preiselbeersträucher zweimal im Jahr und die Früchte (Beeren) können bis in den Herbst hinein geerntet werden.
Weitere einheimische Vaccinium-Arten sind Heidelbeere (V. myrtillus), Moosbeere (V. oxycoccos) und Rauschbeere (V. uliginosum), die mit 1 m Wuchshöhe am größten wird. Zwischen Heidel- und Preiselbeere gibt es Bastardbildungen (V. x intermedium). Aus Amerika stammt die Großfrüchtige Moosbeere oder Krannbeere (Cranberry, V. macrocarpon). Die Preiselbeere ist nahe verwandt mit der Bärentraube (Arctostaphylos uva-ursi), die als Arzneipflanze der Preisel- und Heidelbeere vorgezogen wird.
Die Preiselbeere ist auf der gesamten nördlichen Erdhalbkugel (USA und Kanada, nördliches Mitteleuropa (seltener in Südeuropa), England, Nordeuropa, Nordasien bis Japan) verbreitet. Mit der Heidelbeere (V. myrtillus) ist sie oft vergesellschaftet, aber widerstandsfähiger gegen Frost und Trockenheit.
Sie gedeiht auf frischen bis mäßig trockenen, nährstoffarmen und sauren (kalkarmen) Böden mit ausreichender Feuchtigkeit ohne Staunässe. Man findet sie auf Lichtungen in Kiefern- und Fichtenwäldern sowie in Mooren und alpinen Zwergstrauchheiden (bis 3.000 m). Dabei können die Pflanzen weite Flächen des Bodens bedecken.
Preiselbeeren zu Heilzwecken werden überwiegend im Freiland gesammelt (Skandinavien, England) und luftgetrocknet.
Für die Lebensmittelindustrie befinden sich verschiedene Sorten in Kultur, z. B. „Koralle“, „Erntedank“ und „Erntekrone“. Der Anbau erfolgtvor allem in Nordeuropa.
Da die Preiselbeere im Mittelmeergebiet nicht heimisch ist, fehlen Hinweise auf eine Verwendung in der Antike. In den meisten nördlichen Ländern und in England war sie als Nahrungsmittel nicht sehr begehrt und man sammelte eher die wohlschmeckendere Moosbeere (V. oxycoccos). Lediglich in Schweden schätzte man sowohl die Moos- als auch die Preiselbeere. Schlitzberger (1899) empfahl, bei Durchfall einen Tee aus Preiselbeerblättern zu trinken.
Den Gattungsnamen Vaccinium hatte Linné vom damaligen Namen der Moosbeere abgeleitet, vitis-idaea wohl nach lat. „vitis“ (Traube) und griech. „ide, ida“ (Waldung, Holz). Der deutsche Artname soll aus russ. „brussnika“ oder tschech. „brusinka“ (Beere, die man abstreift) entstanden sein.
In Skandinavien schichtet man die gesammelten Beeren in Steinguttöpfen aufeinander und stampft sie ein. Mit eigenem Saft bedeckt können sie monatelang aufbewahrt werden. Grund sind wohl die in den Beeren enthaltenen Säuren, welche in ähnlicher Form auch als Konservierungsstoffe dienen.
Hauptwirkstoffe der Blätter sind Hydrochinonglykoside: 2-5 % Arbutin sowie Pyrosid (Acetylarbutin), Hydrochinongentiobiosid und Caffeoylarbutin; weiterhin sind 5-8 % Gerbstoffe, Flavonoide (u. a. Quercetin) und Triterpene (u. a. ß-Amyrin, Oleanol- und Ursolsäure) enthalten. Die Früchte enthalten Vitamine (sehr viel Vitamin C), Fruchtsäuren und Zucker.
Das bei hydrolytischer Spaltung des Arbutins im Magen-Darmtrakt entstehende Hydrochinon wird vom Körper resorbiert und durch Bildung von Glucuronid und Sulfatester des Hydrochinons entgiftet. Bei der Spaltung durch bakterielle Enzyme entsteht freies Hydrochinon. Dieses wirkt antimikrobiell (harndesinfizierend), sofern es in ausreichender Menge vorliegt.
Die früher vermutete mutagene Wirkung von Arbutin (Veränderungen der Erbinformation, verursacht durch Hydrochinon) konnte bisher noch nicht nachgewiesen werden. Im Vergleich zu den üblichen Antibiotika kommt es bei den Arzneipflanzen- Harnwegsdesinfizienzien zu keiner Resistenzentwicklung der Keime (nach Erfahrungsheilkunde und Anwendungsbeobachtungen). Bei Harnwegsinfekten wird eine Reihe von Heilpflanzen verwendet, die jedoch außer der Bärentraube (Arctostaphylos uva-ursi) keine positive Monographie der Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsministeriums erhielten. Grund ist zumeist das Fehlen klinischer Studien zum Wirkungsnachweis, selbst wenn eine Wirkung aufgrund der Inhaltsstoffe plausibel erscheint. Beispiele für solche Heilkräuter, bei denen eine Wirkung als Harnwegsdesinfizienz anzunehmen ist, sind neben der Preiselbeere auch Bergenie (Blätter, Bergenia crassifolia), Birnbaum (Blätter, Pyrus communis), Brunnenkresse (Kraut, Nasturtium officinale), Kapuzinerkresse (Kraut, Tropaeolum majus) und Meerrettich (Wurzel, Armoracia rusticana).
Aufgrund des Arbutingehalts können bei höherer Dosierung und längerfristiger Anwendung Vergiftungen auftreten (Hydrochinonvergiftung).
Arzneidroge: Vitis idaeae folium (Preiselbeerblätter)
Anwendung bei entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege (Harnwegsinfektionen).
Die Droge wird eher selten verwendet. Bei dem vorhandenen Arbutingehalt wäre eine hohe Dosierung erforderlich. Man bevorzugt stattdessen die eine größere Menge Arbutin enthaltende Bärentraube (Arctostaphylos uva-ursi).
Verwendet werden die getrockneten Blätter als Kaltmazerat oder Teeaufguß (nicht mehr als 3-4 Eßlöffel zerkleinerte Droge täglich, keine längerfristige Anwendung).
In der Volksheilkunde nimmt man auch die reifen und getrockneten Früchte der Preiselbeere, besonders bei Entzündungen der Harnwege. Blätter und Früchte verwendet man auch bei rheumatischen Erkrankungen und Durchfall; Spülen und Gurgeln mit Preiselbeersaft soll ein Mittel gegen Entzündungen in Mund und Rachen sein. Die genannten Wirkungen der Früchte und des Fruchtsafts sind nicht belegt und anhand der Inhaltsstoffe als wenig plausibel anzusehen.
Preiselbeerlikör – z. B. „Puolukka“ des Spirituosenherstellers Marli – ist eine Spezialität aus Skandinavien, dem angestammten Verbreitungsgebiet der Preiselbeeren. Noch heute werden sie von Lappland-Nomaden mühsam per Hand gepflückt. Sicherlich sind sie zusammen mit nordischen Kräutern auch im roten Bitter-Aperitif „Meridian“ aus Lappland enthalten.
Im Elsaß spezialisierte man sich auf die Herstellung von „Eaux-De-Vie“. Die „Wasser des Lebens“ sind Branntweine aus verschiedensten Früchten, darunter auch der Preiselbeere (Arielle).
Sofern man das Glück hat, frische Preiselbeeren zu erstehen, lassen sich diese auch zu Preiselbeerschnaps verarbeiten: 500 g frische Preiselbeeren (ganz oder leicht zerstoßen) mit 1 Liter hochprozentigem Obstler oder Doppelkorn und etwas (unbehandelter) Zitronenschale in ein Gefäß füllen, verschließen, an einem warmen, sonnigen Platz aufbewahren und ab und zu schütteln. Etwa 1 Monat stehen lassen und abfiltern (die Beeren sind jetzt weiß). Nach dem Abschmecken mit Zuckersirup und evtl. noch einigen Eßlöffeln Whisky wird der Schnaps in sterile (mit kochendem Wasser ausgespülte) Flaschen abgefüllt. Eine Reifezeit von mindestens 2 Monaten (je länger, desto besser) sollte eingehalten werden. Preiselbeerlikör läßt sich durch Abschmecken mit einer größeren Menge Zuckersirup genauso herstellen.
Für einen Aufguß nimmt man 1 Eßlöffel zerkleinerte Preiselbeerblätter auf eine Tasse kochendes Wasser. Bei einem Kaltauszug läßt man dieselbe Menge 10 Stunden ziehen.
Zu Speisezwecken dienen allein die roten Beeren. Roh eignen sich die mehlig-säuerlich schmeckenden Früchte z. B. für Quarkspeisen. Überwiegend werden sie zu Saft, Marmelade oder Gelee verarbeitet und sind eine beliebte Beilage zu Wild, Rinderbraten, Sauerbraten und Geflügel. Eine Sauce aus Preiselbeeren mit Meerrettich und Sahne dient als schmackhafte Beilage zu geräucherten Forellen.
Am amerikanischen Thanksgiving day gehört zur traditionellen Truthahnfüllung neben Süßkartoffeln und Kürbisauflauf auch eine „Preiselbeersauce“ (meist mit der nordamerikanischen Moosbeere).
Preiselbeeren müssen vor dem Frost gepflückt werden, da sie sonst sauer werden. Beim Verzehr der rohen und ungewaschen Beeren, z. B. beim Sammeln im Freiland, besteht in bestimmten Gebieten die Gefahr einer Infektion mit dem Fuchsbandwurm.
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Letzte Änderung: 3. Oktober 2020
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: z. Z. in Arbeit (2021)
Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2020): Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in CH-Brunnen: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).
Bildnachweise
Alle Fotos:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg
Zitierte Literatur
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