Der bis 100 cm hohe, zwei- bis mehrjährige Wiesenkümmel bildet im ersten Jahr nur eine Blattrosette. Im zweiten Jahr wachsen kantige, gerillte und verzweigte Stengel, an denen zwei- bis dreifach gefiederte Blätter sitzen. Sie verströmen beim Zerreiben einen aromatischen Duft. Die kleinen, weiß- bis rosafarbenen Blüten stehen in zusammengesetzten Dolden. Bei der Reife (September/Oktober) zerfallen die Spaltfrüchte in einsamige, sichelförmig gekrümmte und dunkelbraun gefärbte Teilfrüchte, an denen je 5 hellere Längsrippen hervorstehen. Zwischen den Rippen enthalten sie in den sogenannten Ölstriemen das aromagebende ätherische Öl. Umgangssprachlich werden diese Früchte als „Kümmel“ bezeichnet.
Von den ca. 25 Kümmelarten ist im mittleren Europa neben dem häufig vorkommenden Kümmel (Wiesenkümmel, Feldkümmel, Carum carvi) auch der Quirlblättrige Kümmel (C. verticillatum) einheimisch (Rote Liste Deutschland: ausgestorben oder verschollen). Zu anderen Gattungen der Doldenblütengewächse gehören der Kreuzkümmel (Cuminum cynimum; siehe unter „Kreuzkümmel“) und die heute weniger bedeutenden Arten Roßkümmel (Laser trilobum) und Bergkümmel (Laserpitium siler).
Nicht zu den Doldenblütlern, sondern zu den Hahnenfußgewächsen (Ranunculaceae) gehört der Schwarzkümmel oder Schwarze Kreuzkümmel, Gattung Nigella. Die einzige einheimische Art ist der Acker-Schwarzkümmel Nigella arvensis. Aus dem Mittelmeerraum stammen der Schwarzkümmel N. sativa, dessen Samen in zahlreichen Ländern (z. B. Tunesien, Türkei, Griechenland, Ägypten, Indien) zum Würzen – z. B. von Fladenbrot – verwendet werden, und die Nigella (N. damascena).
Im Zierpflanzenhandel wird sie meist unter den Namen „Jungfer im Grünen“, „Gretel in der Heck“ oder „Braut in Haaren“ angeboten und ist in vielen unserer Gärten zu finden. Als Heilpflanze besitzt sie im Vergleich zu N. sativa einen geringeren Wert. Ihre Fruchtkapsel (glatt) läßt sich von der des einheimischen Acker-Schwarzkümmels (drüsig-rauh) unterscheiden.
Das weite Verbreitungsgebiet des Kümmels reicht von Europa bis nach Asien und Nordafrika.
Der Kümmel ist zweijährig und dringt mit seiner rübenförmigen Pfahlwurzel tief in die Erde ein. Er gedeiht auf den verschiedensten Bodenarten. Besonders geeignet sind feuchte und nährstoffreiche Ton- oder Lehmböden mit ausreichendem Kalkgehalt.
Saure, sandige und tonige Böden werden gemieden. Man findet ihn in sonniger Lage auf Wiesen (besonders Bergwiesen) und Weiden, aber auch an Wegrändern und Böschungen. Besonders günstig ist das feuchte Seeklima in Norddeutschland, Holland und Skandinavien (gutes Wachstum und besonders hoher Gehalt an ätherischem Öl).
In zahlreichen Ländern Europas (z. B. im Osten Deutschlands, in Holland, Polen, Bulgarien und in den skandinavischen Ländern), aber auch in Rußland, Nordafrika (Ägypten), in den USA und in Kanada wird der Kümmel großflächig angebaut. Gegen Winterfröste ist er unempfindlich; die Kultivierung ist daher in der Ebene wie auch in höheren Lagen möglich. Im Vergleich zur Wildform haben die Kulturformen ein besseres Wachstum und bilden größere Früchte mit festem Fruchtsitz.
Während in Kulturen maschinell geerntet wird, bevorzugen Kräuterfreunde die traditionelle Methode: die Früchte von wild oder im Garten wachsendem Kümmel werden im Sommer (Juli bis September) gesammelt. Kurz bevor sie voll ausgereift sind, schneidet man die Dolden ab und bindet sie zu Sträußen. Zur Reifung werden diese an trockener Stelle über einem ausgebreiteten Tuch aufgehängt, bis die Früchte herunterfallen.
Der Wiesenkümmel ist vermutlich die älteste Heil- und Gewürzpflanze Europas. Wie bei der Ausgrabung von Pfahlbauten festgestellt wurde, diente der Kümmel schon den Menschen der Jungsteinzeit (vor rund 5.000 Jahren) als Würze für Speisen. Hinweise auf eine sehr frühe Verwendung des Kümmels stammen auch aus Ägypten (ca. 1500 v. Chr.), doch handelt es sich hierbei um den Kreuzkümmel. Noch im Altertum war der Wiesen-Kümmel den Griechen und Römern unbekannt. Im Orient wurde er erst im Mittelalter verbreitet.
Im frühen Mittelalter werden einheimischer Wiesenkümmel („careium“) und Kreuzkümmel („ciminum“) in der auf Veranlassung Karls des Großen entstandenen Landgüteordnung aus dem Jahre 812 im Brevarium rerum fiscalium erwähnt. Die Köche des Kaisers verwendeten den Kümmel für ein spezielles Soßenrezept. In der mittelalterlichen Pflanzenheilkunde wurden beide Kümmelarten als Mittel gegen Druck- und Völlegefühl, Blähungen, Koliken und Erbrechen empfohlen. In der Walachei (Rumänien) war es früher Brauch, Windeln der Kinder zum Schutz vor Erkältung mit Kümmelsamen zu räuchern. Die Volksmedizin empfiehlt den Kümmel auch als Mittel bei Rheuma, Kopf- und Zahnschmerzen und versichert, daß sie sich durch Auflage eines angewärmten Kümmelsäckchens lindern lassen.
Die Beliebtheit des Kümmels findet auch in alten Spruchweisheiten ihren Niederschlag. So machten sich die Bräute den Spruch zu eigen: „Ich habe Kümmel und Dill, mein Mann muß tun was ich will!”. Auf diese Weise gaben sie ihrem Bräutigam zu verstehen, sich in der Ehe nicht unterdrücken zu lassen. Man glaubte, im Geruch des Kümmels liege etwas Geheimnisvolles; Waldweiber und Zwerge könnten durch ihn vertrieben werden. Bei Nahrungsmangel hieß es: „Kümmelbrot macht Angst und Not“!
Der Name soll auf das arabische Wort „karawya“ (= Samen) zurückgehen, aus dem im griechischen „kyminon“ (= Kreuzkümmel) und im lateinischen „cuminum“ entstand. Der Wiesenkümmel hieß im frühen Mittelalter „careium“ und „careum“, altenglisch „cymen“ und mittelhochdeutsch „kümel“.>
Hauptbestandteil und Aromaträger des in den Früchten enthaltenen ätherischen Öls ist D-Carvon (bis zu 95 %;), weitere Inhaltsstoffe sind Limonen, Flavonoide, Phenolcarbonsäuren (Kaffeesäure, Chinasäurederivate) und wenig Cumarine.
Die Wirkungen des Kümmels gleichen denen von Anis und Fenchel: appetitanregend und verdauungsfördernd, im Magen-Darm-Trakt krampflösend, Völlegefühl und Blähungen vermindernd, auswurffördernd, schleimlösend, antimikrobiell und antifungal.
Bei empfindlichen Personen kann Kümmelöl allergische Reaktionen (vor allem Hautreizungen) verursachen. Chronischer Mißbrauch (hochdosierte oder Langzeit- Einnahme) von Kümmel oder kümmelhaltigen Spirituosen ist mit dem Risiko von Leber- oder Nierenschäden verbunden.
In der Schwanger- und Stillzeit sollte Kümmel nur sehr maßvoll (z. B. als Gewürz) verwendet werden.
Falls man die Kümmelpflanze nicht ganz genau kennt, sollte man sie auch nicht sammeln, denn unter den einander sehr ähnlichen Doldenblütern gibt es auch giftige Arten. Am berühmtesten ist der Schierling („Schierlingsbecher des Sokrates”).
Arzneidrogen: Carvi fructus (getrocknete, reife Kümmel-Früchte); Carvi aetheroleum (aus den trockenen reifen Früchten durch Wasserdampfdestillation gewonnenes ätherisches Öl; Kümmelöl).
Anwendung bei leichten, krampfartigen Beschwerden im Magen-Darm-Trakt sowie bei Blähungen und Völlegefühl. In vielen Arzneimitteln gegen Husten und Bronchitis – speziell für Kinder – ist auch Kümmel als auswurfförderndes, schleimlösendes und antimikrobiell wirkendes Mittel enthalten.
Volkstümliche Verwendungen: Krampfartige Menstruationsbeschwerden sollen durch Kümmel gelindert und die Harnsekretion gesteigert werden. Bei stillenden Müttern nimmt man an, daß sich der Verzehr von kümmelhaltigen Speisen positiv auf die Milchsekretion auswirkt. Diese Wirkungen und auch weitere, z. B. die Linderung von Zahn- und Kopfschmerzen, sind nicht belegt.
Carvi fructus (Kümmel-Früchte): Tagesdosis 1,5–6g Droge; Zubereitungen entsprechend.
Carvi aetheroleum (Kümmelöl): Tagesdosis (Richtwert, soweit nicht anders verordnet): 3 bis 6 Tropfen in Zubereitungen zum Einnehmen (z. B. 3 x täglich 1 bis 2 Tropfen auf ein Stück Würzelzucker).
Verwendet werden reife, frisch zerkleinerte Früchte für Aufgüsse oder Zubereitungen zum Einnehmen. Sie können getrocknet und gemahlen, aber auch ungemahlen verwendet werden. Zerquetschter oder gemahlener Kümmel ist ergiebiger als ungemahlener.
Das Homöopathikum „Carum carvi” wird nur sehr selten verwendet (z. B. bei Magen-Darm-Beschwerden und hartem Stuhl).
Ein bekannter Kümmelschnaps ist der erstmals in Skandinavien hergestellte Aquavit (lat. aqua vitae = Lebenswasser). Er hat einen Mindestalkoholgehalt von 37,5% und ist mit Kümmel und anderen Gewürzen aromatisiert. Zur besseren Bekömmlichkeit wird er gut gekühlt zwecks Appetitanregung, vor dem Bier oder als Digestif nach fetten, schwerverdaulichen und blähenden Speisen getrunken. Beispiele für bekannte Marken sind Bommerlunder, Malteserkreuz oder Linie Aquavit.
Kümmelschnaps kann man auch selbst herstellen: Hierzu übergießt man 100 g zerstoßenen Kümmel und 3–4 Eßlöffel Kandis mit 0,7 Liter Kornschnaps (mindestens 35 Vol% Alkohol). Gut verschlossen läßt man das Gefäß 14 Tage an einem warmen Ort ziehen; gelegentlich muß kräftig geschüttelt werden. Dann wird der Inhalt abgeseiht und in eine mit kochendem Wasser gespülte Flasche gefüllt. Fest verschlossen sollte diese möglichst dunkel aufbewahrt werden, damit der Schnaps nicht bitter wird. Nach etwa 4 Wochen ist der Kümmelschnaps genußfertig. Zur Anwendung wird er möglichst kalt und mäßig (1 Schnapsglas voll ist ausreichend) getrunken. Besonders beliebt ist der Kümmelschnaps in Norddeutschland und Skandinavien. Hier wird er meist zum Bier getrunken.
Ähnlich wie Kümmelschnaps macht man Kümmellikör. Hierzu wird die Menge an Zucker (z. B. durch Beigabe von Zuckersirup) erhöht. Kümmellikör muß wie auch Kümmelschnaps dunkel gelagert werden; gegen Blähungen ist er weniger wirksam. Ein Handelsprodukt ist z. B. der in Deutschland hergestellte Kümmellikör „Gilka Kaiser Kümmel“.
Kümmeltee: Bei Magen- und Darmbeschwerden empfiehlt sich ein Teeaufguß: Ein Teelöffel ganze oder ein halber Teelöffel zerquetschte Kümmelfrüchte (1,5–2 g) werden mit 1/4 Liter kochendem Wasser überbrüht, zugedeckt und nach 10 Minuten abgeseiht. 2 bis 3 Tassen täglich warm und schluckweise trinken. Kümmel-Tee kann auch Säuglingen und Kleinkindern bei Verdauungsstörungen verabreicht werden; eine Verdünnung im Verhältnis 1:1 mit warmem Wasser ist empfehlenswert. Kümmeltee sollte immer frisch zubereitet werden, weil sich das ätherische Öl sehr leicht verflüchtigt!
Kümmel-Ingwer-Tee: Anstelle des reinen Kümmeltees ist auch eine Teemischung mit Ingwer, der wie Kümmel wohltuend auf den Magen wirkt, empfehlenswert.
Familienrezept (stets frisch zubereiten): 15 g Kümmelsamen und 15 g zerstoßene Ingwerwurzel werden zusammen mit 30 g Süßholz und 5 g Sternanis gemischt.
Davon gibt man 1 Eßlöffel in eine Kanne und gießt 1/2 Liter kochendes Wasser darüber. 10 Minuten zugedeckt ziehen lassen und abseihen; 1 Tasse Tee nach dem Essen.
Teemischung: Die Heilkraft mehrerer Kräuter mit ähnlicher Wirkung wie beim Kümmel erhält man durch Mischen z. B. von Kümmel, Anis, Fenchel, Koriander und Angelikawurzel zu gleichen Teilen. Verwendet werden 1–2 Teelöffel pro Tasse.
Aufgrund der Wirksamkeit gegen Blähungen und Völlegefühl dienen die Früchte des Kümmels als Gewürz in deftigen Gerichten (z. B. Kohl, Zwiebeln, Sauerkraut, Bratkartoffeln, Fleisch, Suppen), ebenso in Brot, Brötchen und Käse. Auch Kümmel-Blätter und -Wurzeln lassen sich verwerten, z. B. in Salaten und zum Würzen von Suppen.
Kümmelöl wird zur Herstellung von kosmetischen Produkten verwendet (aufgrund der antimikrobiellen Wirkung z. B. in Mundpflegemitteln).
Kümmel verbessert oder beseitigt nicht nur Mundgeruch: verdünntes Kümmelöl soll auch gegen Schadinsekten helfen. In der Tierheilkunde werden Koliken bei Pferden und Rindern mit Kümmeltee therapiert.
Ungesüßter Kümmel-Tee ist wirksamer als gezuckerter!
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Letzte Änderung: 10. Januar 2021
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: z. Z. in Arbeit (2021)
Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2018): Kümmel (Carum carvi) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in Brunnen/Schweiz: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).
Bildnachweise
Alle Fotos und Abbildungen:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg
Zitierte Literatur
→ Standardwerke, Lehrbücher und weiterführende Literatur finden Sie im Literaturverzeichnis (home-Seite oder (http://www.kraeuterabc.de/literatur/)