Das Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum) hat einen aufrechten Wuchs und wird meist bis 60 (max. 100) cm groß. Die spindelförmige, rund 50 cm tief in den Boden reichende Wurzel bildet stark verzweigte Sprosse. Die Stängel sind rund, innen markig und besitzen 2 Längskanten. An den Seitentrieben befinden sich sitzend oder kurzstielig und gegenständig angeordnet bis 3 cm lange Blätter mit oval-eiförmiger bis länglich-ovaler Form; sie sind dicht mit hellen, durchsichtigen Öldrüsen (= Sekretbehälter mit Hyperforin) besetzt (perforatum von lat. perforatus = durchlöchert).
Ab Mitte Juni bis August / September erscheinen endständige, in rispigen Blütenständen (Trugdolden) angeordnete, goldgelbe Blüten. In der Forschung gilt Johanniskraut als Modellorganismus für die Untersuchung der Apomixis (asexuellen Fortpflanzung). Die 12 bis 15 mm langen Blütenblätter besitzen unterseits am Rand noch weitere, aber andersartige Sekretbehälter, die als schwarze Punkte oder kurze Striche erkennbar sind. Beim Zerreiben der Blütenblätter oder -knospen färben sich die Finger blutrot, was auf den Inhaltsstoff Hypericin zurückzuführen ist. Die Frucht ist eine bis 10 cm lange und breit bis schmal eiförmige 3 bis 5-klappige Kapsel. Der dunkelbraune, feinwarzige Samen hat eine zylindrische Form.
Von H. perforatum existieren zahlreiche Variationen, z. B. das Schmalblättrige (var. angustifolium), Kleinblättrige (var. microphyllum) oder Breitblättrige Echte Johanniskraut (var. latifolium); außerdem noch einige taxonomisch unklare Typen und Hybriden.
Die Gattung Hypericum umfaßt weltweit rund 370 Arten, darunter nicht nur einjährige Kräuter und Stauden, sondern auch Sträucher und kleine Bäume. Neben den 9 in Mitteleuropa einheimischen Arten wurden einige außereuropäische Arten als Gartenpflanzen gehalten.
Die perforiert erscheinenden Öldrüsen sind keineswegs auf H. perforatum beschränkt, sondern kommen auch bei anderen Arten vor. Ähnliche Wirkung wie H. perforatum besitzen z. B.: H. maculatum (Geflecktes Johanniskraut), H. elegans (Zierliches J.), H. pulchrum (Schönes J.), H. tetrapterum (Flügel-J.), H. montanum (Berg-J.), H. humifusum (Niederliegendes J.), H. hirsutum (Behaartes J.) oder das immergrüne H. androsaemum (Blut-J.) im südlichen Europa.
Oft mit H. perforatum verwechselt wird H. maculatum, unterscheidbar u. a. an seinem vierkantigen und hohlen Stängel, der bei H. perforatum zweikantig und innen markig ist.
Das Echte Johanniskraut – ursprünglich eurosibirisch – ist heute in Mitteleuropa von der Ebene bis in die subalpine Region (900 m) weit verbreitet und kommt auch in Westasien und Nordafrika vor.
In die kühl-gemäßigten Zonen der Erde wurde es weltweit verschleppt oder eingebürgert, u. a. nach Nord- und Südamerika, Ostasien und Australien.
Die Pflanze ist in ihren Verbreitungsgebieten häufig und oft gruppenweise, aber selten bestandsbildend anzutreffen. Man findet sie an Weg-, Acker-, Wiesen- und Waldrändern, in Waldlichtungen, auf Magerweiden, Magerrasen und an Gebüschsäumen, häufig als Pionierpflanze. Sie bevorzugt Halbschatten und frische bis mäßig trockene, schwach saure bis neutrale und eher tiefgründige Böden, die humusreich oder roh sein können.
Johanniskraut stammte früher in erster Linie aus Wildvorkommen in Europa, vor allem Osteuropa. Die Entwicklung zu einem „Modeheilkraut” ließ den Bedarf gewaltig ansteigen. Für die Verwendung in der pharmazeutischen Industrie wird es heute großflächig angebaut. Durch den Nachweis antidepressiver Wirkung entwickelte sich ein Milliardenmarkt für Produkte auf Hypericum-Basis, der schon 2011 mehr als 13 % des gesamten Handels mit Kräuterergänzungsmitteln in Europa ausmachte und ein weltweites Volumen von rund 6 Milliarden US-$ erreichte (Rizzo et al. 2020).
Die maschinelle Ernte der oberirdischen Pflanzenteile findet zu Beginn der Blütezeit statt, wenn die Wirkstoffkonzentration am höchsten ist (etwa am Johannistag: 24. Juni).
Das Kraut lässt sich auch im eigenen Garten anbauen. Vorgezogene Pflanzen sind im Handel erhältlich. Die Samen werden einige Minuten gewässert und Ende März in Zuchtschalen eingesät. Keimpflanzen setzt man im Abstand von mindestens 45 cm ins Freiland.
In der Antike heilte man mit Johanniskraut vor allem Wunden; die antidepressive Wirkung war damals nicht bekannt. Man glaubte, dass charakteristische Pflanzenmerkmale auf ein bestimmtes Anwendungsgebiet hinweisen. Beim Johanniskraut mit seinem (blut-)roten Inhaltsstoff war die eindeutige Zielrichtung eine Behandlung von blutenden Wunden. Weil Pflanzenmerkmal und vermutete Wirkung übereinstimmten, wurde die Anwendung später auf andere Wunden wie Verbrennungen, Verstauchungen oder Quetschungen erweitert. Helfen sollte die Pflanze gleichfalls bei Verdauungsstörungen, Rheuma, Lungenkrankheiten und Frauenleiden. Zudem wurde angenommen, sie reinige die Nieren und kräftige Herz und Leber.
Den alten Germanen diente das Kraut der Wundheilung und Fiebersenkung. Im Mittelalter prägte das Brauchtum zum Johanniskraut – wie bei den meisten Heilkräutern – ein starker Aberglauben. Die beim Zerdrücken der gelben Blütenblätter austretende blutrote Farbe war auch hier der Anlass zu vielen Vermutungen und Legenden (Namen: Hexenkraut, Mannsblut, Johannisblut, Hergottsblut). Vermutlich wurden damals ausschließlich die den roten Hauptwirkstoff Hypericin enthaltenden Arten verwendet. In Kräuterbüchern jener Zeit sind Johanniskraut-Arten, die den roten Farbstoff nicht enthalten – und sich aus diesem Grund als Heilpflanze nur wenig geeignet erweisen – kaum erwähnt.
Der Kirche diente das Johanniskraut – benannt nach Johannes dem Täufer, Namenstag am 24. Juni = Sonnenwendtag und Beginn der Blüte – zur Teufelsaustreibung, denn der Teufel selbst soll es aus Wut mit tausend Nadelstichen durchbohrt haben, weil ihm das Kraut nichts anhaben konnte. Man schrieb ihm magische Eigenschaften zu. Es sollte vor Zauberei, Blitz und Hagel schützen, sich aber auch bei Gemütszuständen wie Schwermut und Melancholie als hilfreich erweisen. Frauen schmückten zum Sonnwendfest (Samhain) ihre Haare mit dem geflochtenen Kraut. Männer trugen es mit sich, weil es vor Hieb- und Stichverletzungen schützen sollte und hatten – wenn dies dennoch geschah – sogleich ein Heilmittel verfügbar.
Im 19. Jh. wurde das Johanniskraut von der Schulmedizin abgelehnt und taucht in vielen der damaligen Arzneibücher nicht mehr auf. Dass man die Pflanze als wirkungslos ansah, ist einerseits auf Verwechslung mit wirkstoffarmen Arten und andererseits auf den Vertrieb eines mit Alkanna rot gefärbten Öls unter dem Namen „Johanniskrautöl” (ein Placebo) zurückzuführen. Bis Mitte des 20. Jhs. war das Johanniskraut nur noch in der traditionellen Heilkunde gebräuchlich. Erst 1941 wurde es als „Herba hyperici” in das Deutsche Arzneibuch aufgenommen.
Bei den auf der Pflanze sichtbaren hellen und dunklen Flecken (→ Blättchen gegen das Licht halten) handelt es sich um Sekretbehälter. Die hellen enthalten u. a. den Wirkstoff Hyperforin, die dunkelen den Wirkstoff Hypericin.
Während Hyperforin unbeständig ist und während der Lagerung oxidiert, verhält sich Hypericin stabil und luftbeständig. Den Nachweis hierfür brachten Untersuchungen von Johanniskraut aus dem Münchener Herbarium. Es stammte von 1822 und enthielt das Hypericin wie in einer frischen Pflanze.
Der Gattungsname ist hergeleitet aus dem griechischen „hypereikon” (= das auf der Heide wachsende Kraut, latinisiert „Hypericum”) und wird schon seit mehr als 2.000 Jahren verwendet. Der Name „Hartheu” besagt, daß es als Viehfutter verwendetes Heu aufgrund der derben Stengel hart macht.
Hauptwirkstoffe der oberirdischen Pflanzenteile des Johanniskrauts sind einerseits Naphthodianthrone, vor allem das mengenmäßig dominierende Hypericin und hypericinähnliche Stoffe (= Gesamthypericin: insgesamt rund 0,1 % im getrockneten Kraut) und andererseits das chemisch sehr instabile, oxidationsempfindliche Phloroglucin Hyperforin (und sein Begleitstoff Adhyperforin). Weitere Inhaltsstoffe sind 2 bis 4 % Flavonoide und Derivate, besonders das Quercetin mit Glykosiden (Rubin, Isoquercetin, Quercitrin) und Kaempferol. Aus Blütenständen wurden zwei Biflavonoide (Biapigenin und Amentoflavon) isoliert. Ätherisches Öl (0,05 bis 0,3 %), Gerbstoffe und Pflanzensäuren (Chlorogensäure, Kaffeesäure) zählen zu den weiteren Inhaltsstoffen.
Die oft zitierte Angabe (z. B. im Monographie-Kommentar), dass die Arten H. maculatum und H. montanum sehr viel weniger Hypericin als H. perforatum enthalten, konnte durch Analyseergebnisse nicht bestätigt werden und ist zumindest anzuzweifeln. Der Wirkstoffgehalt unterliegt starken Schwankungen. Diese gibt es nicht nur zwischen den einzelnen Johanniskraut-Variationen und -Arten; auch die verschiedenen Pflanzenteile besitzen einen unterschiedlichen Wirkstoffgehalt, der zudem noch jahreszeitlich variiert und von mehreren weiteren Faktoren beeinflusst wird, u. a. Standort, Klimazone, Niederschlag, Sonneneinstrahlung, Bodenqualität, Reifezustand oder Erntezeit.
Johanniskraut hat einen herben, bitteren Geschmack. Mehrere der traditionellen Verwendungen von Johanniskraut – antidepressiv, antibakteriell, antiviral – konnten in wissenschaftlichen Studien bestätigt werden. Viele pharmakologische Aktivitäten wurden auf Hypericin (u. a. auch lichtempfindliche Reaktionen) und Flavanolglycoside wie Quercetin und Kaempferol zurückgeführt, wobei besonders dem Rutin (= Glycosid des Quercetin) ein synergistischer Effekt zugesprochen wird. Als neben Hypericin bedeutendster Hauptinhaltsstoff erwies sich Hyperforin, das nicht nur an der ausgeprägten antibiotischen Wirkung (z. B. gegen Staphylokokken und Streptokokken), sondern hauptsächlich an der Milderung nervöser und depressiver Zustände beteiligt ist, wobei die stimmungsaufhellenden und motivationsfördernden Eigenschaften auf dem Zusammenwirken mehrerer Inhaltsstoffe beruht.
Die Wirksamkeit bei nervösen Erkrankungen und Depressionen, Angst und nervöser Unruhe wurde früher dem Hypericin zugeschrieben (in den Beipackzetteln der Medikamente war der Hypericingehalt als wirksamer Bestandteil angegeben). Spätere Forschungsarbeiten zeigten jedoch, dass für die antidepressive Wirkung mehrere Inhaltsstoffe und zahlreiche Mechanismen verantwortlich sind. Deren Wirkungsweise entspricht in etwa den synthetischen selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern, d. h. sie haben eine ähnliche Wirkung wie Standard-Antidepressiva (Dosulepin, Fluoxetin, Venlafaxin). Als wichtigster Inhaltsstoff des Johanniskrauts, der die Hemmung der Neurotransmitter-Wiederaufnahme mit der Wirkung einer Erhöhung des Anteils u. a. von Serotonin, Dopamin, Noradrenalin vermittelt, erwies sich Hyperforin (für Hypericin konnte diese Wirkungsweise nicht bestätigt werden). Im Gegensatz zu vielen anderen Antidepressiva kann Hyperforin auch die synaptosomale Aufnahme der Aminosäuretransmitter Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und L-Glutamat hemmen. Sein damit begründeter Status als „Breitband-Aufnahmehemmer von Neurotransmittern” beruht jedoch nicht auf den kompetitiven Wechselwirkungen um Transporterbindungsstellen, sondern auf der Erhöhung des intrazellulären Na+, von dem bekannt ist, dass es für die Regulation der Neurotransmitteraufnahme entscheidend ist (Rizzo et al. 2020).
Auch wegen möglicher Wechselwirkungen von Johanniskraut-Kräutermedizinprodukten (vor allem des Hyperforins) mit anderen Arzneimitteln scheint die Angabe des Hyperforingehalts in Beipackzetteln nunmehr ebenso wichtig zu sein wie die des Hypericins (Chrubasik‐Hausmann et al. 2018).
Während Hyperforin als natürliches Antidepressivum wirkt, gilt Hypericin als starkes Krebsmedikament und könnte eine Behandlung der Alzheimer-Krankheit ermöglichen (als Inhibitor der Bildung von β-Amyloidfibrillen: Bramanti et al. 2010). Es gibt Hinweise, dass Hypericin die Zellmembran durchdringt, sich in Organellen in der Nähe des Zellkerns ansammelt und die Bildung von Zellkolonien hemmen kann (in vitro–Studie: de Andrade et al. 2017). Nach spezifischer Bindung an Melanomkrebszellen wird unter Licht-Einwirkung eine apoptotische (= Zelltod auslösende) Reaktion induziert, wobei reaktive Sauerstoffspezies (ROS) gebildet werden, die schließlich zur Abtötung des Tumors führen. Zudem ist ein Anstieg des Zytokinspiegels feststellbar, was eine Entzündungsreaktion und die Aktivierung von Immunzellen bewirkt (Rizzo et al. 2020). Diese Ergebnisse deuten auf eine mögliche Fähigkeit hin, das Wiederauftreten von Tumoren zu verhindern.
Hypericin und Quercetin hemmten im Reagenzglas auch das Wachtum von Retroviren, z. B. HIV-Viren/Aids (Laila et al. 2019), aber ebenso Grippe-, Leukämie- und durch Zecken übertragene Enzephalitis-Viren. Eine dem Hypericin sehr ähnliche Substanz (Penicilliopsin), die gleichfalls eine hohe Wirkung gegen Retroviren aufweist, produziert der Pilz Penicilliopsis clavariaeformis. Antiviral wirken sowohl die in diesem Pilz als auch im Johanniskraut nachgewiesenen Anthrachinone Skyrin und Oxyskyrin. Aus Penicilliopsin ließe sich Hypericin in größeren Mengen herstellen, was jedoch technisch sehr aufwendig wäre (NIIR 2005). Mittlerweile gibt es ein Verfahren zur Herstellung von synthetischem Hypericin mit großem Volumen und hoher Reinheit, das in den USA zum Patent angemeldet wurde (Arumugham et al. 2016/2020).
Besonders bei hellhäutigen Menschen kann es durch das im Johanniskraut enthaltene Hypericin zur Photosensibilisierung kommen, d. h. die Haut wird gegen Sonne empfindlich (Hypericin bewirkt nach Belichtung die Zerstörung von roten Blutkörperchen). Betroffen sind auch unpigmentierte Weidetiere, z. B. Pferde (Schimmel) und Schafe, bei denen es zu Krämpfen und Todesfällen kam. Therapeutische Dosierungen enthalten meist eine zu geringe Dosierung, um diese phototoxischen Reaktionen auszulösen. Dennoch wird dringend geraten, Sonnenstrahlen und Höhensonne bei der Anwendung zu meiden – besonders dann, wenn die Dosis nicht genau bestimmbar ist (z. B. bei selbst gesammeltem Kraut). Bei den empfohlenen therapeutischen Dosen ist eine photosensibilisierende Wirkung nicht zu befürchten.
Zur Therapie von schweren Depressionen ist Johanniskraut ungeeignet; hier ist ärztlicher Rat erforderlich. Seine Inhaltsstoffe können die Wirkung anderer Arzneimittel beeinflussen, z. B. von empfängnisverhütenden Medikamenten („Antibaby-Pille”), wobei die Gefahr einer ungewollten Schwangerschaft besteht. Während der Schwangerschaft und Stillzeit ist Vorsicht geboten. In seltenen Fällen können Allergien auftreten.
Arzneidroge: Hyperici herba (Johanniskraut)
Die innere Anwendung erfolgt bei psychovegetativen Störungen (= auf seelisch/geistige Ursachen zurückzuführende Funktionsstörungen des Körpers), leichter Depression (= traurige Verstimmung), Angst, nervöser Unruhe, Anspannungszuständen, Migräne und Schlaflosigkeit wie auch bei Ernährungsbeschwerden (z. B. Verdauungsstörungen, Appetitlosigkeit). Die stimmungsaufhellende Wirkung tritt nicht sofort nach Einnahme, sondern erst nach einem mehr oder weniger längeren Zeitraum ein (oft nach 14 Tagen).
Äußerlich wird die Droge zur besseren und schnelleren Wundheilung bei scharfen und stumpfen Verletzungen, Muskelschmerzen und weniger schweren Verbrennungen (Verbrennungen 1. Grades = Hautrötung ohne Blasenbildung) verwendet.
In der Volksheilkunde nimmt man das Johanniskraut bei Angstzuständen zusammen mit Baldrian als Tee oder Tinktur.
Die oberirdischen Teile des Krauts von Hypericum perforatum werden während der Blütezeit gesammelt und frisch oder getrocknet verwendet. Trockenpräparate für die Zubereitung von Tee oder Pulver (= das getrocknete und zerriebene Kraut) sind einfach herzustellen.
Innerlich nimmt man die geschnittene oder pulverisierte Droge als feste oder flüssige, äußerlich als flüssige oder halbfeste Zubereitung. Als mittlere Tagesdosis zum Einnehmen werden 2 bis 4 g Droge empfohlen.
Für innere oder äußere Anwendungen können auch Zubereitungen mit fetten Ölen (z. B. Olivenöl) hergestellt werden. Schon im antiken Griechenland heilte man Verletzungen mit „Johanniskrautöl” (= „Rotöl”, unter Lichteinfluss gereiftes Gemisch aus Johanniskrautextrakt und Olivenöl) – eine Methode, die in Südeuropa auch heute noch bekannt ist.
Bei der Nutzung von selbstgesammeltem Pflanzenmaterial ist zu beachten, dass der Gehalt der Hauptwirkstoffe Hypericin und Hyperforin sehr stark schwanken kann.
Homöopathisch nimmt man ausschließlich Hypericum perforatum. Innerlich angewendet ist Homöopathikum vor allem auf das zentrale und periphere Nervensystem und die Haut ausgerichtet, z. B. Depressionen, Nachbehandlung bei Gehirnerschütterungen und Hautkrankheiten, die auf Lichtempfindlichkeit beruhen. Äußerlich dient es der homöopathischen Behandlung von Verletzungen, Brandwunden und Hämorrhoiden.
Johanniskraut dürfte in vielen Kräuterbittern enthalten sein, doch hier hat jeder Hersteller eigene und meist geheimgehaltene Rezepturen. Einen Hinweis auf das Kaut als wesentliche Zutat gibt z. B. der „Johannisbitter” (Gerasdorfer Landbrand-, Likör- und Kräuterwein-Manufaktur).
Empfohlen wird die Anwendung von standardisierten und kontrollierten Produkten, z. B. Johanniskraut-Tee als Teebeutel oder lose aus der Apotheke oder Drogerie.
Zur eigenen Herstellung wird das etwa 5 cm über dem Boden abgeschnittene Kraut getrocknet, indem man es kopfüber an einem dunklen, gut belüfteten und wärmeren Ort (z. B. im Heizungskeller) aufhängt. Nach etwa 1 Woche ist der Trockenvorgang abgeschlossen. Das Kraut lässt sich zerbrechen und wird in dunklen und gut verschlossenen Gefäßen aufbewahrt.
Für die Tee-Herstellung nimmt man 6 Teelöffel getrocknetes Johanniskraut auf ½ Liter Wasser. Einen „Verdauungstee” lässt man 10 Minuten ziehen und gibt noch eine Prise frischgemahlenen Pfeffer hinzu; ein „Beruhigungstee” ist schon nach 8 Minuten fertig und kann mit einem oder zwei Teelöffeln Honig gesüßt werden; einen „Herztee” läßt man 12 Minuten ziehen, um eine höhere Konzentration des herzwirksamen Gerbstoffs zu erhalten und kann ebenfalls mit Honig süßen.
Das Interesse der Bevölkerung am Johanniskraut hat stark zugenommen, nicht zuletzt durch zahlreiche Medienberichte über dieses „Wunderkraut”. In Apotheken sind rund 100 Johanniskraut-Arzneimittel erhältlich; Drogerien, Super- und Billigmärkte vertreiben eine Vielzahl an Fertigpräparaten und Nahrungsergänzungsmitteln. Mit einigen Ausnahmen (z. B. naturreine Presssäfte, Tee, Öl) haben medizinische Präparate eine bestimmte und gleichbleibende Wirkstoffkonzentration, die auf der Verpackung angegeben sein muss. Beim Johanniskraut ist oft nur Hypericin standardisiert (z. B. zwischen 0,05 und 0,9 Mikrogramm in einem Dragee) und alle anderen Wirkstoffe können in unterschiedlichen Konzentrationen vorliegen.
Heilkräuterpräparate sind einem immer stärkeren Konkurrenzdruck ausgesetzt und die pharmazeutische Industrie bietet zur Umsatzsteigerung auch zunehmend Kombinationsmittel mit mehreren Heilkräutern an. Deren Zusammenstellung erscheint zum Teil wenig sinnvoll oder ihre Einzelkonzentrationen sind allzu gering – besonders dann, wenn sehr viele Kräuter enthalten sind. Als grobe Orientierungshilfe wird oft die Ansicht geäußert, dass Johanniskraut-Präparate nicht mehr als insgesamt 3 Kräuter oder deren Wirkstoffe enthalten sollten, z. B. zusammen mit der Kava-Kava Wurzel (Piper methysticum; angstlösend) oder Baldrian (Valeriana sp.; beruhigend), aber auch mit Kamille (Matricaria chamomilla; magenfreundlich), Hopfenblüten (Humulus lupulus; schlaffördernd) oder Weißdornblüten (Crataegus sp.; herzstärkend).
Der Johanniskraut-Wirkstoff Hyperforin ist in einigen Cremes und Lotions enthalten, die gegen trockene und rissige Haut empfohlen und zur symptomatischen Therapie von Neurodermitis, gegen entzündliche Hauterkrankungen und Ekzeme verwendet werden.
Johanniskrautöl („Rotöl”) lässt sich ganz einfach herstellen: blühendes Johanniskraut wird zerkleinert, in Pflanzenöl (z. B. Olivenöl, Sesamöl) gegeben und 4 Wochen lang in verschlossenem Gefäß (Glas mit Schraubverschluss) ans Fenster gestellt, d. h. dem Sonnenlicht ausgesetzt. Dabei wandert ein Teil der Wirkstoffe in das – farblich von grüngelb nach rot wechselnde – Öl. Nach Abseihen (durch ein Tuch) in eine braune Flasche umfüllen (→ Schutz vor Sonnenlicht). Volkstümliche Anwendung äußerlich z. B. gegen Nervenschmerzen, Rheuma, Hexenschuss und Verstauchungen. Die Qualität des Rotöls ist vom verwendeten Pflanzenöl sowie den Temperatur- und Lichtverhältnissen im Reifungsprozess abhängig (Heinrich et al. 2017). Ob das auf diese Weise gewonnene Öl noch photosensibilisierend wirkt, ist umstritten, denn Hypericin ist darin nicht enthalten und liegt in Form von Derivaten (= von Hypericin abgeleiteten Molekülen) vor.
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Letzte Änderung: 11. Januar 2021
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: 12. Dezember 2020
Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2018): Johanniskraut (Hypericum perforatum) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in Brunnen/Schweiz: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).
Bildnachweise
• Rotöl Reifeprozess (grüngelb nach rot): aus Heinrich et al. (2017);
alle weiteren Fotos und Abbildungen:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg
Zitierte Literatur
→ Standardwerke, Lehrbücher und weiterführende Literatur finden Sie im Literaturverzeichnis (home-Seite oder (http://www.kraeuterabc.de/literatur/)
Arumugham, R. et al. (2016/2020): Systeme und Verfahren zur Herstellung von synthetischem Hypericin. – US-Patent vom 01.03.2016, veröffentlicht am 07.01.2020 (US10526268B2).
de Andrade, G. P. et al. (2017): Comparative in vitro study of photodynamic activity of hypericin and hypericinates in MCF-7 cells. – Journal of Photochemistry and Photobiology Biology 175: 89–98.
Heinrich M. et al. (2017): Comprehensive phytochemical characterization of St. John’s wort (Hypericum perforatum L.) oil macerates obtained by different extraction protocols via analytical tools applicable in routine control. – Pharmazie 72: 131–138.
Laila, U. et al. (2019): (Review) Role of medicinal plants in HIV/AIDS therapy. – Clinical and Experimental Pharmacology and Physiology 46: 1063–1073; doc: 10.1111/1440-1681.13151.
Mullaicharam, A.& N. Halligudi (2018): St John’s wort (Hypericum perforatum L.): A Review of its Chemistry, Pharmacology and Clinical properties. – Intern. J. of Research in Phytochemical and Pharmacological Sciences 1 (1): 5–11; (doi.org/10.33974/ijrpps.v1i1.7).
NIIR (2005): The Complete book on Natural Dyes & Pigments. – 448 S.; Asia Pacific Business Press (NIIR=Board of Consultants & Engineers); ISBN 8178330326, 9788178330327 (hier zitiert aus Kap. 7 Seite 64 ff.).
Rizzo et al. (2020): The Biochemical and Genetic Basis for the Biosynthesis of Bioactive Compounds in Hypericum perforatum L., One of the Largest Medicinal Crops in Europe. – Genes 11 (10): 1210; 20 Seiten; doi.org/10.3390/genes11101210.