BESCHREIBUNG
Übersicht: Offizinelle Stammpflanzen sind drei Wegerich-Arten: Als „Flohsamen” werden die beiden Arten Plantago afra syn. P. psyllium syn. Psyllium afrum (Flohsamenwegerich) und Plantago indica syn. P. arenaria syn. Psyllium arenarium (Sandwegerich, Sand-Flohsame) bezeichnet. Bei der dritten Stammpflanze – Plantago ovata syn. P. ispaghula – nennt man die Samen „Indische Flohsamen” (oder Indisches Psyllium) und die von deren Embryo und Endosperm abgetrennte Schalen „Indische Flohsamenschalen”.
Die 5–35 cm hohen Pflanzen ähneln stark dem einheimischen Wegerich (z. B. Spitzwegerich, Plantago lanceolata), sind jedoch einjährig. Die schmalen, lanzettlichen, spitz zulaufenden, parallelnervigen, fein flaumig behaarten (P. ovata) oder eher wollig behaarten Blätter (bei P. indica dimorph; bei P. afra gleichartig) sind über den Stängel verteilt (P. afra, P. indica) oder stehen wie beim Spitzwegerich in einer Grundrosette (P. ovata). Aus den Achseln der oberen Blätter wachsen Blütenschäfte, die oben kleine, in kurzem (P. afra, P. ovata) oder köpfchenartigem (P. indica) Ährenstand angeordnete Blüten tragen. Bestäubt werden sie durch Insekten und Wind. Aus den Fruchtknoten entwickeln sich Kapselfrüchte mit zwei Fächern, in denen sich je einer der ca. 2 mm kleinen Samen bildet. Diese fallen zu Boden, werden vom Wind in die Umgebung verteilt und auch durch Ameisen („Myrmekochorie”) und Vögel verbreitet.
Die Samen der genannten Arten unterscheiden sich sowohl im Aussehen als auch bezüglich ihrer Inhaltsstoffe: Bei Plantago afra (glatt, glänzend) und Plantago indica (weniger glänzend) sind sie nahezu gleichartig: 2–3 mm lang, bis 1 mm breit; Farbe hell- bis schwarzbraun; Rücken mit einer etwas helleren Längswölbung und Bauch mit einer hellen Furche. Samen von Plantago ovata sind blassrosa bis beige-farbig, glatt und schiffchenähnlich gekrümmt, 1,5–3,5 mm lang, 1,5–2,0 mm breit und 1,0–1,5 mm dick mit hellbraunem Fleck auf dem konvexen Rücken und einem hellbraunen Fleck auf der konkaven Bauchseite (Sticher et al. 2015).
VERWANDTE KRÄUTER
Die Gattung Plantago umfasst mehrere Untergattungen mit zusammen knapp 200 Arten. In Deutschland einheimisch und häufig sind u. a. Spitzwegerich (Plantago lanceolata), Breit-Wegerich (P. major) und Mittlerer Wegerich (P. media).
Früher war die Gattung Plantago der Familie Ehrenpreisgewächse (Veronicaceae) zugeordnet, heute stellt man sie zusammen mit dem ehemals namensgebenden Ehrenpreis (Veronica sp.) in die Familie Wegerichgewächse (Plantaginaceae), die etwa 275 Arten umfasst. Hierzu gehören u. a. so bekannte Arten wie Fingerhut (Digitalis sp.), Löwenmaul (Antirrhinum sp.) oder Wasserstern (Callitriche sp.). Als sekundäre Pflanzenstoffe dominieren in dieser Familie die Iridoide (= Monoterpene, z. B. Aucubin in einigen Plantago-Arten), aber auch Glykoside (z. B. die giftigen Digitalisglykoside des Fingerhuts).
Nicht verwandt sind verschiedene Pflanzenarten, die als „Flohkraut” bezeichnet werden: Leonhart Fuchs (1501–1566) benannte so den Knöterich (Persicaria); Pulicaria dysenterica ist das „Große Flohkraut” und auch die Polei-Minze (Mentha pulegium) wird Flohkraut genannt. Samen mit einer ähnlichen, jedoch geringeren Quellfähigkeit als Flohsamen bilden die mit Plantago ebenfalls nicht verwandten Arten Einheimischer Lein (Linum usitatissimum; Fam. Leingewächse, Linaceae) und mexikanischer Chia (Salvia hispanica; Fam. Lippenblütler, Lamiaceae).
HERKUNFT UND VERBREITUNG
Plantago afra stammt aus dem Mittelmeergebiet (Südeuropa und Nordafrika) und dem westlichen Asien bis Pakistan. Plantago indica – die Namen von Pflanzen östlichen und orientalischen Ursprungs wurden früher oft mit Indien verknüpft – ist besonders im mittleren und südlichen Europa (Pyrenäen, Alpen, Nordost-Italien, Karpaten, Balkan), in Westasien (Anatolien, Kaukasus-Länder), Russland und Sibirien beheimatet; in Deutschland kommt die Art in sonniger Lage auf trockenem und sandigem, wenig nährstoffreichem Boden vor (z. B. untere Elbe, Niederrhein). Der Indische Flohsamen (Plantago ovata) ist von den Kanarischen Inseln über Madeira und Spanien, Nordafrika (var. ovata), Vorderasien (var. decumbens, u. a. in Israel, Iran, Afghanistan, Pakistan) bis Indien verbreitet. Zwei weitere Variationen (var. fastigiata und var. insularis) sind in Nordamerika heimisch (Meyers & Liston 2008). In Australien und einigen asiatischen Ländern wurde die Art eingebürgert.
STANDORTE
Die drei Flohsamen-Arten sind an zeitweise trockene, bevorzugt sandige und eher kalkhaltige Standorte angepasst. Der Grund für die geringe Lebensdauer dieser einjährigen Pflanzen (Therophyten) ist eine meist nur kurze Vegetationsperiode, z. B. in Trocken- und Wüstengebieten an Stellen, die nur zeitweise Wasser führen (u. a. in Wadis = ausgetrockneten Flussläufen, aber auch an Ruderalstandorten). Plantago indica ist im Vergleich zu Plantago afra und Plantago ovata auch an kühleres Klima angepasst und kommt bevorzugt an sandigen Stellen oder auf Acker- und Wegrändern vor.
KULTIVIERUNG
Plantago afra wird vor allem in Spanien und Plantago indica überwiegend in Südfrankreich kultiviert. Die Hauptanbaugebiete von Plantago ovata befinden sich in den im Nordwesten von Indien gelegenen Bundesstaaten Gujarat und Rajasthan sowie im angrenzenden Pakistan. Indien ist der weltgrößte Produzent (80 % der Weltproduktion) und exportiert rund 90 % der Flohsamen und -schalen in zahlreiche Länder, überwiegend in die USA.
In Indien wird im Dezember (nach dem Monsun) ausgesät und im Frühjahr (März/April) geerntet; in Europa beginnt die Ernte im Spätsommer, bevor sich die Pflanzen dunkel färben. Ihre Samen werden herausgeklopft, herausgedroschen oder durch Windwurf separiert. Indische Flohsamenschalen erhält man nach Zerkleinerung und Mahlen der Samen und anschließende Windsichtung und Reinigung. Die Schalen sind hellbeige gefärbt, durchscheinend, spröde und von spelzenähnlicher Gestalt (Hänsel 2001).
Der Handel bietet Flohsamen, Indischen Flohsamen und Indische Flohsamenschalen als Nahrungsergänzungsmittel an. Indische Flohsamenschalen sind in Deutschland und in der EU auch als Arzneimittel (Laxans = Abführmittel) zugelassen.
UMWELT, NATURSCHUTZ
Welchen Nutzen hat die Produktion und das Vorhandensein von Schleim für die Pflanze selbst? Nachvollziehbar wären positive Auswirkungen auf die Keimlingsentwicklung und eine verringerte prozentuale Sterblichkeit unter Dürrebedingungen. Zudem könnte der Schleim eine wichtige Rolle bei der Samenverbreitung spielen (starke Anhaftung von Samen an Bodenpartikeln) und als Wasserreservoir für den Keimling dienen, besonders unter Trockenheitsstress (Teimouri 2020).
Die im Handel erhältlichen Flohsamen(schalen) stammen aus kommerziellen Kulturen. Eine Gefährdung von Freilandvorkommen – z. B. von Plantago indica in Deutschland – ist nicht gegeben.
BRAUCHTUM
Dioskurides (1. Jh. n. Chr.) erwähnte bereits drei Plantago-Arten: P. asiatica; P. albicans und P. psyllium (= syn. für P. afra). Die Samen von P. asiatica wurden mit Wein gegen Durchfall und Bluterbrechen (Hämatemesis, z. B. bei Magengeschwüren) genommen. Jene von P. psyllium dienten als kühlende Kompresse zusammen mit einer Essenz aus Rosen, Essig und Wasser gegen Gicht und Tumore (HMPC 2013). Auch Galen (= Galenos von Pergamon, 2. Jh. n. Chr.) kannte die antiseptische Wirkung bei Wunden und Hautentzündungen und ebenso an seinen Schriften orientierte sich die mittelalterliche Medizin. Im 18. und 19. Jh. nahm man Flohsamen u. a. als Abführmittel, gegen Verdauungsprobleme und Gallenleiden. Besonders in Asien ist der Flohsamen schon seit Jahrhunderten ein traditionell verwendetes Naturheilmittel.
Neben ihrer schon lange bekannten positiven Wirkung bei Darmbeschwerden wird die Pflanze in der Naturheilkunde vor allem zum Räuchern benutzt. Beim Verbrennen ihrer Samen entsteht ein charakteristischer Duft. Nach der volkstümlichen „Räuchermedizin” (z. B. Moxibustion in China und Japan) soll der Rauch auch die Behandlung unterschiedlichster Krankheiten ermöglichen und schädliche Keime entfernen – vergleichbar mit der Desinfizierung von Räumen (z. B. während der Pest im Mittelalter) und der Konservierung von Lebensmitteln (Räucherschinken), aber auch mit rituellem Räuchern (Friedenspfeife) und religiösen Zeremonien (Räucherstäbchen, -kerze, Weihrauch, Konklave: fumus albus/niger). Man glaubt, die von Flohsamen freigesetzten Duft- und Wirkstoffe würden über den Geruch bestimmmte Gehirnaktivitäten beeinflussen und einen positiven wie auch reinigenden Einfluss auf Körper und Geist bewirken.
WISSENSWERTES
Mitte des 20. Jahrhunderts tauchte im Handel unter dem Namen „German Psyllium Seed” Flohsamen des einheimischen Spitzwegerichs Plantago lanceolota auf, der zwecks Imitation der offizinellen Flohsamen geröstet war, um die typisch-braune Färbung zu erzielen (Krahl 1947). Dessen Qualität war jedoch wegen des geringen Schleimgehalts und mangelnder Quellfähigkeit minderwertig.
Der lateinische Gattungsname „Plantago“ leitet sich von lat. „planta“ (= Fußsohle) ab und könnte sich auf die flache Grundrosette oder die Verbreitung der Pflanze bzw. ihres Samens „durch die Füße” beziehen. Die Samen erinnern an Flöhe, was im synonymen lateinischen Gattungsnamen Psyllium (= Floh) zum Ausdruck kommt und sich in der Drogenbezeichnung „Psyllii semen” ebenso wie in den deutschen Namen „Flohkraut“ oder „Flohsamen-Wegerich“ erhalten hat. „Wegerich” weist auf das häufige Vorkommen „am Wegrand” hin. Auf das Aussehen der Samen bezieht sich auch der indische Name „Ispaghul” (oder Ispaghulsame), der von persisch „isap” und „ghol” abgeleitet ist und „Pferdeohr” bedeutet (Hänsel 2001).
WESENTLICHE INHALTSSTOFFE, EIGENSCHAFTEN, WIRKUNGEN
Flohsamen und -schalen werden den „Schleimdrogen” zugeordnet, denn sie enthalten als wirksamen Hauptbestandteil unverdauliche Quellstoffe, die zu einer Normalisierung des Stuhls beitragen.
Schleime (ca. 10–12 % bei Plantago afra und P. indica; 20–30 % bei P. ovata) befinden sich überwiegend in der Epidermis der Samenschale (ca. 80 % bei P. ovata), aber auch in den Blättern. Hauptbestandteil des Schleims sind verzweigte, schwach saure Arabinoxylane = eine komplex zusammengesetzte Polysaccaridfraktion, die aus überwiegend D-Xylose besteht, bei Kontakt mit Wasser aufquillt und stark an Volumen zunimmt. Der Schleim von Plantago afra und P. indica ist stärker sauer als der von P. ovata.
• Die Hauptwirkung der Schleime besteht in ihrer Fähigkeit, im Darm auf das mehrfache ihrer Masse aufzuquellen. Durch die Quellung wird das Darmvolumen erhöht, was wiederum den Reiz für Stuhlentleerung auslöst (mechanische Stimulation der Darmperistaltik). Der Schleim kleidet die Darmschleimhaut schützend aus und wirkt als Gleitmittel. Im Magen-Darm-Trakt wird er nur unwesentlich resorbiert („Ballaststoff”).
• Durch Abbauvorgänge der im Dickdarm befindlichen Bakterien werden verschiedene Inhaltsstoffe freigesetzt. Diese gelangen in den Blutkreislauf und beeinflussen nicht allein die Aktivität der glatten Muskulatur im Magen-Darm-Trakt, sondern auch den Stoffwechsel.
• Gelbildende Polysaccharide binden fäkale Gallensäuren (= Endprodukte des Cholesterinstoffwechsels), die verstärkt ausgeschieden werden. Zur Bildung neuer Gallensäuren wird die Gallensäuresynthese stimuliert. Dazu ist Cholesterin erforderlich, insbesondere LDL-Cholesterin. Die Folge ist eine moderat verminderte LDL-Cholesterinaufnahme in das Blut – und zwar ohne signifikanten Einfluss auf das HDL-Cholesterin (Anderson et al. 2000). Zusätzlich bilden Darmbakterien aus löslichen Abbauprodukten kurzkettige Fettsäuren, die hemmend auf die Cholesterinsynthese in der Leber wirken und gleichfalls den Cholesterinspiegel senken sollen. Indische Flohsamenschalen eignen sich daher zur Vorbeugung koronarer Herzkrankheit – eine Anwendung, die bereits 1998 durch die U.S. Food and Drug Administration zugelassen wurde.
• Weiterhin wird die Aufnahme von Zucker und Kohlenhydraten geringfügig verlangsamt, d. h. der nach den Mahlzeiten erhöhte Blutzuckerspiegel ist etwas erniedrigt (HMPC 2013), was besonders Diabetiker zu schätzen wissen. Bei Ratten wurde festgestellt, dass Flohsamen die Absorption von Saccharose und Glucose im Magen-Darm-Trakt unterdrückt (Marjhan & Kalam 2018).
Durch Anwendung von Flohsamen(schalen) wird der Stuhl wesentlich weicher („Stuhlweichmacher”), was die Vorwärtsbewegung des Kots im Darm erleichtert. Vorbeugend und hilfreich ist dies z. B. bei der Volkskrankheit Divertikulose (= Bildung von Divertikeln = Ausstülpungen der Darmwand), bei der sich Kot in den Divertikeln festsetzen und verhärten kann. Dies ist schmerzhaft und kann gefährliche Dickdarmentzündungen verursachen. Bei der Divertikulose handelt es sich um eine durch veränderte Ernährungsweise (u. a. ballaststoffarm, fettreich), Bewegungsmangel und Übergewicht begünstigte Zivilisationskrankheit, vor allem in den westlichen Industrienationen.
Flohsamen(schalen) wirken nicht allein als Abführmittel bei Verstopfung, sondern ebenso gegen Durchfall, indem sie einerseits die übermäßige Flüssigkeit im Darmvolumen aufnehmen (Quellvorgang) und andererseits toxische Nahrungsbestandteile oder Giftstoffe jener Bakterien, auf die der Durchfall zurückzuführen ist, an sich binden können. Positive Effekte haben die entzündungshemmenden und den Transport des Darminhalts erleichternden Wirkungen von Flohsamen daher auch bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, ebenso als Mittel zur Vorbeugung gegen Dickdarmkrebs. Zudem könnten Flohsamenschalen-Präparate eine Therapie-Möglichkeit für Patienten mit leichtem bis mäßig erhöhtem Cholesterinspiegel sein, wobei es bei einigen Patienten zu unerwünschten Magen-Darm-Problemen kam, die jedoch vorübergehend waren (Uehleke et al. 2008).
Die Samen von Plantago afra und P. indica enthalten jeweils 5–13 % fettes Öl, aber keine Stärke. P. ovata hat einen Ölgehalt von ca. 5 % und wenig Stärke in den Schalen.
Als weiterer Begleitstoff kommt der sekundäre Pflanzenstoff Aucubin – ein Iridoid mit glykosidischer Bindung an Glucose (= Iridoidglycosid) – vor, jedoch in nur geringem Anteil in Plantago afra (0,14 %) und P. ovata (0,21 %), nicht jedoch in deren Flohsamenschalen und auch nicht in P. indica.
FORSCHUNG
Das bitter schmeckende Iridoid Aucubin dient der Pflanze zur chemischen Abwehr gegen Pflanzenfresser. In der Anwendung beim Menschen wirkt es antibiotisch, entzündungshemmend und reizmildernd, unterdrückt oxidativen Stress und könnte das Potential zur Behandlung u. a. von Herzinsuffizienz (= Herzschwäche) und Herzmuskelverdickung besitzen (Wu et al. 2018).
Flohsamen(pulver) scheint als „Synbiotikum” zu wirken, also zugleich als Präbiotikum (= bessere Ernährung und Wachstumsförderung vorhandener Darmbakterien) und Probiotikum (= lebende Mikroorganismen, die Lebensmitteln zugefügt werden, z. B. in Functional-Food-Produkten). Zielvorstellung der Forschungsbemühungen ist eine selektive Stimulation von Wachstum und Resistenz der Probiotika, um deren therapeutischen Nutzen zu erhöhen. Dieser soll darin bestehen, als Nahrungsergänzungsmittel die Verdauung im Dickdarm über die Nährstoffversorgung bestimmter Darmbakterien zu verbessern und das Immunsystem zu stärken (AL-Ogaidi & Daher 2019).
WARNHINWEISE
Wird zeitgleich mit der Einnahme von Flohsamen(schalen) nicht genügend Flüssigkeit getrunken, können diese in der Speiseröhre oder im Darm verklumpen. Durch nachträgliches Wassertrinken lässt sich der entstandene Pfropf kaum auflösen. Nach Todesfällen durch Verquellung in den oberen Bronchien (Erstickung) wurden entsprechende Warnhinweise in die Packungsbeilagen aufgenommen (Hänsel 2001).
Besonders zu Beginn der Anwendung können Völlegefühl und Blähungen auftreten, die zumeist vorübergehend sind. Bei Beachtung der erhöhten Flüssigkeitszufuhr werden die Flohsamen der drei offizinellen Wegericharten gut vertragen, haben fast keine Nebenwirkungen und eignen sich sogar für eine Langzeittherapie. Ein negativer Einfluss auf Fruchtentwicklung, Schwangerschaft und Stillzeit war bisher weder beim Menschen noch in Tierversuchen nachweisbar.
Vor Gebrauch als Heilmittel sollte dennoch ein Arzt konsultiert werden, denn es gibt Krankheiten, bei denen eine Therapie mit Flohsamen nicht angebracht ist oder kritisch sein könnte, u. a. akute Entzündungen und krankhafte Verengungen im Magen-Darm-Trakt („Darmverschluss”), chronische Beschwerden (schwer einstellbare Diabetes) und auch die Wechselwirkung mit bestimmten Arzneimitteln (Verzögerung der Resorption) oder die Vermutung von Unverträglichkeiten nach der Einnahme. Diabetiker sollten wegen der geringfügig langsameren Aufnahme von Kohlenhydraten den Blutzuckerspiegel kontrollieren, um evtl. den Insulinbedarf anzupassen.
Flohsamen enthalten – außer in der Schale – Proteine, die in Einzelfällen allergische Reaktionen (z. B. Asthma, allergischen Schnupfen) auslösen können (Alemán 2001). Bisher betroffen waren zumeist Mitarbeiter in der verarbeitenden Industrie oder mit häufigem Samenkontakt (Bernedo 2008). Die Sensibilisierung scheint eher durch Einatmung – etwa über pulverisierten Flohsamen / Flohsamenmehl – als durch Nahrungsaufnahme zu erfolgen (Bardy 1987). Gereinigte Flohsamenschalen sollten nahezu proteinfrei sein. Wenn nicht, dürfte es sich um Verunreinigung mit Teilen des im Samen-Inneren befindlichen Embryos und dessen Nährgewebe handeln.
ANWENDUNGSGEBIET
Gesichert ist eine Wirksamkeit bei Erkrankungen, die durch verbesserte Darmentleerung aufgrund von weichem Stuhl gemildert oder behandelt werden können, insbesondere Verstopfung und Durchfall, Reizdarmsyndrom (Stuhl-Veränderungen, Bauchschmerzen) und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa; Morbus Crohn) – also immer dann, wenn ein erleichterter Stuhlabgang erwünscht ist, z. B. bei verfestigtem Stuhl nach Dünndarm-Resektion (Kurzdarmsyndrom), künstlichem Darmausgang, Verdauungsstörungen während der Schwangerschaft, nach rektal-analen Operationen oder bei Hämorrhoiden-Problemen. Belegt ist ebenso die cholesterinsenkende Wirkung bei Hypercholesterinämie (= Fettstoffwechselstörung mit zu hohem Cholesterinspiegel). Zudem ist eine Wirksamkeit nach bisheriger Erfahrung anzunehmen bei Divertikulose (= Darmwand-Ausstülpungen), Katarrhen der Luftwege und Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut sowie Magenbeschwerden. Indirekt könnten Flohsamen sogar bei Übergewicht von Vorteil sein, denn die gequollene Masse sorgt für ein verstärktes Sättigungsgefühl und wird im Vergleich zu anderen Ballaststoffen (z. B. Hafer- oder Weizenkleie) kaum abgebaut – doch nachgewiesen ist dies nicht: siehe Wharton et al. 2019). Kritisch zu sehen sind auch Behauptungen in der Werbung und Laienpresse (oft mit Bezug auf Damaskos & Kolios 2007), Flohsamen würden selektiv auf die Zusammensetzung der Darmflora wirken und diese positiv beeinflussen.
ANWENDUNGSART
Unabhängig von der Flohsamen-Stammpflanze und Anwendungsart ist zu beachten, dass aufgrund des Quellvorgangs eine starke Volumenvergrößerung durch Wasseraufnahme stattfindet. Aus diesem Grund muss gleichzeitig mit der Einnahme ausreichend Flüssigkeit (z. B. Wasser oder Tee; Milch ist eher ungeeignet) getrunken werden. Ansonsten besteht Erstickungsgefahr durch Aufquellen in Rachen und Speiseröhre oder Pfropfenbildung im Darm. Quellende Samen in Zahnprothesen könnten ebenfalls Probleme bereiten. Nicht im Liegen einnehmen. Flohsamenstaub wegen des (geringen) Allergierisikos nicht einatmen.
Die empfohlene Menge an Flüssigkeit beträgt 30 ml pro 1 g Droge, also 5 g auf eine Tasse Wasser (= 150 ml), wobei die Tagesdosis für Flohsamen (Plantago afra und P. indica) 10–30 g; für Indischen Flohsamen (P. ovata) 12–40 g und Indische Flohsamenschalen (P. ovata) 4–12 g beträgt (gilt für Erwachsene; Jugendliche weniger).
Indische Flohsamenschalen (Plantaginis ovatae semen) quellen erheblich stärker als ganze Flohsamen (Psyllii semen). Qualitätskriterium ist die „Quellungszahl” – definiert als Volumen [ml] von 1 g Flohsamen[schale] nach 4-stündigem Quellen). Sie beträgt bei Flohsamen (P. afra und P. indica) mindestens 9–10 (zumeist 14–19), beim Indischen Flohsamen (P. ovata) mindestens 9 (zumeist 11–14) und bei Indischen Flohsamenschalen von P. ovata mindestens 40 (zumeist > 60).
Erste Effekte sind nach 12–24 Std. wahrnehmbar (intensiver nach 2–3 Tagen). Anfangs auftretende Blähungen verschwinden nach einer Eingewöhnungszeit von ca. 2–3 Wochen.
Um die Wirksamkeit anderer Medikamente nicht zu gefährden, sollte deren Einnahme in zeitlichem Abstand zur Anwendung von Flohsamen[schalen] erfolgen (z. B. eine halbe oder ganze Stunde davor oder danach).
Zerkleinerte Flohsamen (Plantago afra, P. indica, P. ovata) nicht länger als 24 Std. lagern, weil das darin enthaltene fette Öl leicht ranzig wird. Indische Flohsamenschalen sind dagegen nahezu ölfrei und deshalb haltbarer. Alle Produkte vor Feuchtigkeit schützen!
Freiverkäuflich (rezeptfrei) werden im Handel verschiedene Fertigpräparate als standardisierte Arzneimittel oder als Nahrungsergänzungsmittel angeboten (Anwendung nach Dosierungsanleitung).
GETRÄNKE
Die Getränkeindustrie verwendet Flohsamen als bindende Komponente in manchen Fruchtsäften.
SPEISEN
Aufgrund der starken Quellwirkung können Indische Flohsamenschalen in der Küche als Stabilisator (im Speiseeis) und geschmacksneutrales Bindemittel verwendet werden, z. B. zum Eindicken von Soßen, in glutenfreien Backwaren, Pizza, Pudding). Sie dienen zugleich der Aufnahme zusätzlicher Ballaststoffe (z. B. in Müsli, Körnerbrötchen).
Die Handelsware „Flohsamenmehl” (konkret: Indisches Flohsamenschalenmehl) wird als natürliches, geschmacksneutrales, glutenfreies und veganes Produkt beworben, ist fein gemahlen und optisch kaum von Weizenmehl zu unterscheiden. Die Schalen (Flohsamen sind hier nicht geeignet) können mit einer Getreidemühle auch selbst gemahlen werden. Da sie kein Klebereiweiß (= Gluten in Verbindung mit Wasser) enthalten, sollten sie zum Backen mit sehr viel Mehl gemischt werden, das hohen Glutengehalt aufweist, z. B. Dinkel oder Weizen (Mischungsverhältnis und Wässerung gemäß Herstellerangaben bzw. Backanleitung). Nach dem Verzehr ist aufgrund der Quellwirkung eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu gewährleisten.
Aufgrund des schneller als gewöhnlich eintretenden Sättigungsgefühls werden Backwaren mit Flohsamenschalenmehl – das keinen Zucker, wenig Fett und Proteine enthält – in der „Low Carb Diät” (= kohlenhydratarme Ernährung) empfohlen; wegen des fehlenden Glutens auch bei Glutenunverträglichkeit (Zöliakie). Dabei zu beachten sind jedoch die Kohlenhydrate in dem beim Backvorgang zugesetzten Mehl und darin evtl. enthaltenes Gluten (glutenfrei sind z. B. Buchweizen- und Amarantmehl).
KOSMETIK
Die Wirksamkeit von Flohsamenprodukten in Cremes gegen Akne und Pickel, Falten und Neurodermitis sowie bei Schuppenflechte oder Haarausfall wird von den Herstellern angepriesen, ist aber eher Glaubenssache.
In den USA wurde eine Wimperntusche mit Flohsamenfasern („natürliche Mascara”) entwickelt, die frei von synthetischen Polymeren und Fasern ist und optimale Dehnung, Haftung und Volumen aufweisen soll (Anselmi et al. 2020).
TIPPS
In den Medien sind immer wieder Berichte zu lesen, in denen Flohsamen als wirksames Mittel „zum Abnehmen” empfohlen wird. Unterstützend ist dies durchaus möglich, denn sie erzeugen durch den Quellvorgang – der bereits im Magen beginnt – ein länger anhaltendes Sättigungsgefühl. Zudem gibt es Hinweise, dass sie u. a. den Zellstoffwechsel anregen und eine Konstanz des Blutzuckerspiegels bewirken.
Sinnvoller und ungleich wirksamer als eine Flohsamen-Therapie bei Übergewicht hat sich in den meisten Fällen bewährt, die eigentlichen Ursachen – vor allem ungesunde Ernährung und zu wenig Sport – zu erkennen und diese entsprechend zu verändern.
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Letzte Änderung: 11. Januar 2021
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: 27. Januar 2021
Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2020): Flohsamen (Plantago afra; Plantago indica; Plantago ovata) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in Brunnen/Schweiz: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).
Bildnachweise
• Zeichnung Plantago media: Fuchs, Leonhart (1543): New Kreuterbuch. – Basel / https://publikationsserver.tu-braunschweig.de/rsc/viewer/dbbs_derivate_00019673/max/00000002.jpg?logicalDiv=log_95b7d84b-f5a2-42b9-8d8b-d6714fe99225 / Univ.-Bibliothek Tübingen (Original in der Stadtbibliothek Ulm);
• Dioskurides: Pedanius Dioscorides – Der Wiener Dioskurides: Codex medicus Graecus 1 der Österreichischen Nationalbibliothek, Graz;
• Foto Plantago ovata: Stan Shebs / CC BY-SA 2005 GNU Free Documentation License; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Plantago_ovata_form.jpg (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0);
• Verbreitungskarten Plantago afra, P. indica, P. ovata: Euro+Med PlantBase Project. Botanical Museum, Helsinki, Finland 2018; Data from BGBM Berlin-Dahlem, Germany. Source: World Checklist of Selected Plant Families (2010), © The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew;
alle weiteren Fotos:
Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg
Zitierte Literatur
→ Standardwerke, Lehrbücher und weiterführende Literatur finden Sie im Literaturverzeichnis (home-Seite oder (http://www.kraeuterabc.de/literatur/)
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