Die schnell wachsende Hänge-Birke (Betula pendula) ist ein bis 25 m hoher Laubbaum und an den herabhängenden Zweigen sowie dem Stamm mit tiefgefurchtem hellem Borkenkork über der eher dunklen harzigen Rinde leicht erkennbar. Junge Triebe sind dünn, glänzend rötlich braun und mit vielen warzigen Harzdrüsen besetzt. Sie tragen wechselständige Blätter von dreieckiger bis rhombischer Gestalt, mit lang gezogener Spitze, gespitzten Seitenlappen und doppelt gesägtem Rand. Die hellgrünen Laubblätter erscheinen im Frühjahr (April/Mai) zusammen mit den Blüten und färben sich im Herbst gelb/orange. Die Blüten sind einhäusig getrenntgeschlechtlich (monözisch), d. h. auf einer Pflanze kommen weibliche Blüten in aufrecht stehenden, walzlichen Ähren und männliche in hängenden Kätzchen vor. Letztere stehen zu mehreren in den Achseln der Tragblätter und weisen eine unscheinbare Blütenhülle auf. Aus den weiblichen Blüten entwickeln sich geflügelte Nüsschen, die durch den Wind verbreitet werden.
Gleichfalls wie die Hänge-Birke wird die langsamer wachsende und etwas kleiner bleibende Moor- oder Haarbirke (Betula pubescens) genutzt. Deren Rinde ist zunächst rötlich-braun und eher glatt, wird später grau-weiß und platzt nicht borkig – wie bei der Hänge-Birke – sondern papierartig ab. Ihre Zweige hängen im Vergleich zur Hänge-Birke nicht herunter und weisen anfangs eine feine Behaarung auf („Haarbirke”); später färben sie sich rotbraun. Die jungen, etwa herzförmigen und wohlriechenden Blätter sind ebenfalls behaart, haben einen doppelt gesägten Rand und sind wechselständig angeordnet. Auch diese Art ist monözisch und blüht im zeitigen Frühjahr (ab April); ihre Früchte (gleichfalls geflügelte Nüsschen) reifen ab August.
Neben der Hänge- und Moor-Birke (B. pendula und B. pubescens) gibt es in Europa noch die Strauch-Birke (B. humilis) und die bodennah wachsende Zwerg-Birke (B. nana), welche nur in kälteren Gebieten (arktisch-alpin) vorkommt und kaum höher wird als einen halben Meter.
Zur Familie der Birkengewächse (Betulaceae) gehört außer der Gattung Betula noch die Gattung Alnus (Erlen) mit rund 30 Arten. Im gemäßigten Europa heimisch ist die Schwarzerle (Alnus glutinosa), von der die Rinde der jungen Zweige und die Blätter medizinisch verwendet werden. Weitere vier Gattungen der Betulaceae werden in der Unterfamilie Haselnussgewächse (Coryloideae) zusammengefasst: Hainbuche (Carpinus), Haselnuss (Corylus), Hopfenbuche (Ostrya) und Scheinhopfenbuche (Ostryopsis).
Fossilienfunde von Birken (Betula sp.) belegen ihr Vorkommen schon zur Zeit der Dinosaurier vor ca. 65,5 Millionen Jahren (Ashburner & McAllister 2016). In den gemäßigten und kühlen Zonen der Nordhalbkugel verbreiteten sie sich nach der letzten Eiszeit (vor rund 12.000 Jahren). Einzelne Arten kommen heute auch in Südeuropa und Südamerika vor.
Das Vorkommen von Betula pendula erstreckt sich über Europa (seltener in Nord-Skandinavien; im mediterranen Raum nur in höheren Lagen) und die gemäßigten Gebiete Asiens und Nordamerikas von der Ebene bis in 1.900 m Höhe.
Betula pubescens kommt in Europa südlich bis Norditalien und dem Balkan bis 2.000 m Höhe sowie in Asien vor. Die Art fehlt in Bulgarien, Griechenland und der Türkei. Sie ist extrem frostverträglich (bis –40 °C) und selbst im nördlichsten Europa (Island) anzutreffen.
Die Hängebirke gibt sich mit nährstoffarmen, leicht sauren und sandigen Böden zufrieden, die feucht oder auch trocken sein können. Man findet sie in trockenen Laub- und Nadelwäldern ebenso wie in feuchten Mooren und Heideflächen. Das in der luftgepolsterten Rinde enthaltene hydrophobe (= wasserabweisende) weißfarbige Betulin reflektiert einerseits die Sonnenstrahlung und verhindert eine Überhitzung an den meist sonnigen Standorten, andererseits schützt sie vor mechanischen Schäden, Frost, Tierfraß und Verdunstung. Aufgrund der hohen Lichtbedürftigkeit zählt die Birke zu den Pionierpflanzen in Rodungs- und Ödflächen; gleichsam in Waldlichtungen, wo sie jedoch nach einigen Jahren von konkurrenzstärkeren Baumarten verdrängt wird. Nach dem zweiten Weltkrieg wuchsen in zerstörten Regionen Deutschlands überall Birken, die als „Trümmerbäume” bezeichnet wurden.
B. pendula wächst sehr schnell, erreicht jedoch ein Alter von nur etwa 100 Jahren. Damit gehört sie – zusammen mit der Eberesche (Sorbus aucuparia) – zu den kurzlebigsten einheimischen Bäumen. Ihr Wasserverbrauch ist extrem hoch und kann 120 Liter pro Tag erreichen (eine vergleichbare Buche Fagus sylvatica benötigt nur 32 Liter). Die Anpflanzung mehrerer Birken, die als „Wasserpumpen” wirken, kann zur Entwässerung feuchter Gebiete beitragen.
Zwischen den Häusern stehende Birkenreihen in Umeå (Nordschweden) haben den Zweck, die Gebäude vor Feuer zu schützen: Grund ist die Feststellung bei einem Waldbrand im Jahr 1888, dass eine Birkenreihe in der Lage war, die Flammen zu stoppen – ein Effekt ihres wasserreichen Holzes (Imhof 2020).
Birken werden oft in Parkanlagen und an Alleen gepflanzt, wo besonders im Herbst die gelb und orange gefärbten Blätter das Straßenbild verschönern.
In Skandinavien ist die gegen Schädlings- und Krankheitsbefall robuste Birke ein wichtiger Holzlieferant.
In Kultur befinden sich zahlreiche Sorten wie B. pendula „Purpurea” mit dichtem dunkelpurpurfarbenem Laub oder „Laciniata” mit tief eingeschnittenen Blättern und hängenden Zweigen. Sorten mit trauerweidenartiger Wuchsform, z. B. „Tristes” und „Youngii” mit weit überhängenden Zweigen, findet man oft auf Friedhöfen.
Birken bieten einer Vielzahl von Tieren Nahrung und Lebensraum (Wick 2017), z. B. über 200 Insekten (u. a. Futterpflanze für zahlreiche Schmetterlingsarten, z. B. für Raupen des Trauermantels (Nymphalis antiopa), 32 Vogelarten (u. a. der Birkenzeisig Acanthis flammea), Mäusen (z. B. der winzig kleinen Waldbirkenmaus Sicista betulina) und dem Birkenhuhn (Lyrurus tetrix, Knospen dienen als Winternahrung). Symbiotische Pilze sind u. a. Birken-Röhrling (Leccinum scabrum), Moorbirkenpilz (Leccinum holopus var. nucatum) und Birken-Milchling (Lactarius torminosus), doch findet man unter den etwa 12 in der Nähe von Birken vorkommenden Arten auch hochwertige Speisepilze (z. B. den Steinpilz Boletus sp.) und Giftpilze (z. B. Fliegenpilz Amanita muscaria).
Schäden entstehen besonders an jungen Bäumen durch Wildverbiss, aber auch durch Befall mit dem parasitären Birkenporling (Baumschwamm-Pilz: Fomitopsis betulina) oder dem mit weißgescheckter Rindenfärbung gut getarnten Birkenspanner (Nachtfalter: Biston betularia).
Die Strauchbirke (B. humilis) kommt selten vor und ist geschützt. Als Relikt der letzten Eiszeit ist die gleichfalls geschützte Zwerg-Birke (B. nana) in Mitteleuropa nur noch im Erzgebirge, Bayerischen Wald, Riesen- und Isergebirge anzutreffen; auf Grönland und in Spitzbergen ist sie die einzige Gehölzpflanze.
Die deutsch-russische Designerin Anastasiya Koshcheeva (Berlin/Krasnoyarsk) hat die russische Tradition der Nutzung von Birkenrinde wiederbelebt. Den nachwachsenden Rohstoff bezieht sie aus Sibirien, wo Birken in riesiger Menge zur Verfügung stehen. Verwendet wird die oberste Rindenschicht anstelle von Leder und Stoff, z. B. als Flechtwerk in Hockern, Lampen oder dekorativen Accessoires. „Birkenrinde statt Leder” funktioniert sogar bei Uhrenarmbändern.
Die Birke war den Germanen und Slawen von altersher als Heilpflanze bekannt und dem germanischen Gott des Donners, Thor geweiht. Er hatte als Allheilmittel einen hohen Stellenwert. Der sommergrüne Baum verkörperte zugleich die Rückkehr des Frühjahrs und seiner fruchtbaren Kräfte und stand für einen neuen Anfang. Kinderbetten wurden aus diesem Grund mit Birkenholz gefertigt. Germanen und Kelten feierten um den 1. Mai mit Birken geschmückte Frühlingsfeste aus Anlass der Vermählung der Erdgöttin Freya mit dem Himmelsgott Wotan. Griechen und Römern erschien der Baum bedeutungslos.
Im Mittelalter empfahl die hl. Hildegard von Bingen (*1098) Birkenrinde als Mittel zum Wundverschluss. Hieronymus Bock (1498–1554) und Adam Lonitzer („Lonicerus”, 1528–1586) verordneten den Birkensaft bei Steinleiden, Gelbsucht, Mundfäule und Hautflecken. In China wurden die Rinden verschiedener Betula-Arten (darunter B. latifolia) seit dem 10. Jh. medizinisch genutzt. In Nordamerika galt die zarte, essbare Birkenrinde (Kambrium) als wichtiger Vitamin-C-Lieferant in Notzeiten für Trapper und Indianer. Aus Birkenrinde fertigten sie Kanus, Bögen, Schneeschuhe und aus eingerollter Rindenschicht ein trompetenähnliches Instrument, mit dem sie Elchrufe nachahmen konnten.
Unverheiratete Männer stellten als Zeichen ihrer Zuneigung den Angebeteten Birkenzweige oder eine kleine Birke vor das Haus. Noch heute werden vielerorts bei Prozessionen, besonders an Fronleichnam oder bei Festumzügen – die Straßen mit Birkenzweigen geschmückt. Die Jugend schmückte zur Maifeier (oder zum Dorffest, Schützenfest, zur Kirmes) eine auf dem Dorfplatz aufgestellte Birke (Maibaum) und vielerorts werden frisch ergrünte Birkenzweige zu Ostern mit Eiern behängt.
Im Harz sollen die Hexen in der Walpurgisnacht auf einem Birkenbesen geritten sein. „Hexenbesen” nennt man die durch Pilze hervorgerufenen knäuelartigen Wucherungen in der Birkenkrone. Man glaubte, die Hexen seien dort mit ihren Hexenbesen hängen geblieben. An das Tor eines Viehstalls gehängte Birkenzweige sollten Hexen fernhalten, die man auch für Krankheiten wie Gicht und Impotenz verantwortlich machte. Zur Heilung dienten wiederum die Birkenzweige. Bis ins 19. Jh. war es üblich, bei der Erziehung von Kindern Rutenschläge auszuteilen. Man glaubte, Birkenruten nehmen zu müssen, weil die Kinder sonst nicht wachsen würden.
Birkenpech wurde schon in der Steinzeit als „Allzweckkleber” verwendet, z. B. zur Befestigung von Werkzeugen (Pfeilspitzen, Messer), bei Reparaturen oder zur Abdichtung von Holz. Ein Beispiel sind die Pfeilspitzen der Gletschermumie Ötzi, die vor rund 5.300 Jahren mit Birkenpech am Schaft befestigt und mit Brennesselschnüren gesichert wurden. Birkenpech lässt sich durch verschwelen von Birkenrinde unter Luftabschluss („trockene Destillation” = Pyrolyse, vergleichbar mit der Holzkohle-Herstellung) relativ einfach herstellen, wobei als Vorstufe zunächst Birkenteer als schwarzer, teerartiger Rückstand entsteht, der früher zur Abdichtung von Holzbooten verwendet wurde. Birkenpech entsteht nicht aus Harz – wie bei der Verwendung von Nadelholz zur Pech-Herstellung –, sondern aus den Kohlenwasserstoffen im Birkensaft in Verbindung mit Zellulose und Lignin.
Rückstände an Zähnen aus Gräbern deuten darauf hin, dass Birkenpech in früheren Zeiten auch gekaut wurde – ob zur Zahnpflege oder gar als Kaugummi, ist noch ungeklärt. Mit Pech bestrichen wurden bei der Vogeljagd verwendete Sitzstangen, auf denen die Vögel kleben blieben – und es entstand die Redewendung „Pech gehabt”.
Birkenholz ist zwar hart, aber dennoch leicht. Diese Eigenschaften nutzte man beim Bau von Booten; daneben auch von Flugzeugpropellern („Fliegerbirken” im 2. Weltkrieg), für Musikinstrumente, Werkzeuge, Hausgeräte oder als Furnier für Möbel, gebeizt als Mahagoni-, Nussbaum- oder Tropenholzimitat. Dünnere Zweige sind elastisch und können zu Besen gebunden werden; an der deutschen Küste dienten sie als Sandfangschutz. Frisches Holz ist wasserreich; die Rinde jedoch lässt sich leicht entflammen und eignet sich als Anzünder für Ofen und Kamin, für Lagerfeuer und beim Grillen. Birkenrinde nahm man aufgrund der Undurchlässigkeit von Wasser auch für Hausbedeckungen. Die weiße Borke ist sogar als Papierersatz verwendbar: bei der nordamerikanischen Papier-Birke (B. papyrifera) löst sie sich papierartig ab und kann beschriftet werden. Mit Alaun gebeizte Birkenblätter sind ein natürliches Färbemittel für Naturstoffe (Seide, Wolle, Baumwolle, Leinen, Jute).
Der Name „Birke” könnte auf den indogermanischen Wortstamm „ehereg” (= Hellschimmerer) zurückzuführen sein, vielleicht aber auch auf althochdeutsch „bircha” (= weiß, hell); „Betula” soll auf Plinius zurückgehen und bezieht sich wohl auf „Bitumen” (lat. „Erdpech”).
WESENTLICHE INHALTSSTOFFE, EIGENSCHAFTEN, WIRKUNGEN
Die europäischen Birkenarten besitzen eine hohe morphologische Variabilität und sind häufig hybridisiert, was oft zu Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen den eng verwandten Arten führt. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in der Art und Menge der wesentlichen Inhaltsstoffe in Birkenblättern, Knospen, Rinde und Zweigen: Terpenoide (unterschiedliche Triterpenoide, vor allem Betulin und Betulinsäure – siehe nachfolgend unter „Forschung”), Phenole (besonders Flavonoide, Flavone und Flavanone, Quercetin, Myricetin, Kaempferol, Rutin, Ferulasäure), Catechine und Lignane.
Aus Betula isolierte Rohextrakte, Fraktionen und phytochemische Bestandteile zeigten in vitro und in vivo ein breites Spektrum pharmakologischer Aktivitäten wie immunmodulatorisch (= Immunsystem verändernd), entzündungshemmend, antimikrobiell, antiviral, antioxidativ, antidiabetisch, dermatologisch, gastroprotektiv (= magenschützend) und hepatoprotektiv (= leberschützend). Besonders herausgestellt werden haarwuchsfördernde Eigenschaften (äußerlich gegen Haarausfall und Schuppen). Studien widmen sich auch der Anwendung bei Nieren- und Blasenbeschwerden. Zentrale Forschungsbereiche sind jedoch Gelenks- (= Arthritis) und Krebserkrankungen (Review: Rastogi et al. 2015).
Volkstümlich verwendet wird Birkensaft z. B. in Nord- und Osteuropa bei Lungenerkrankungen, Gicht, Hautkrankheiten, Unfruchtbarkeit, Magenerkrankungen, Nierensteinen, Gelbsucht, Rheuma, Arthritis, Lebererkrankungen, Lungenentzündung, Cholera, zur Revitalisierung und als Diuretikum (harntreibend, blutdrucksenkend) (Svanberg et al. 2012). Diese Anwendungen decken sich nur zum Teil mit Forschungsergebnissen, bieten aber mögliche Anhaltspunkte für bisher nicht nachgewiesene Wirkungen.
FORSCHUNG
Die helle Farbe der äußeren Birkenrinde (Borkenkork) ist auf das eingelagerte Triterpenoid Betulin zurückzuführen. Diesem und seinen biologisch teils aktiveren Derivaten – vor allem die durch Betulinoxidation entstandene Betulinsäure – gilt ein verstärktes Interesse der pharmakologischen Forschung. Während Triterpene bei den meisten Pflanzenarten mit weniger als 0,1% des Trockengewichts enthalten sind, beträgt der Anteil von Betulin in der Birkenrinde zwischen 10 und 45 %.
Weil die Verwendung von Betulin mit dem Nachteil seiner schlechten Löslichkeit in Wasser verbunden ist, widmet man sich verstärkt der besser löslichen Betulinsäure. Studien ergaben ein breites Spektrum möglicher Anwendungen, aus denen sich unterschiedliche Forschungsschwerpunkte herausbildeten. Im Mittelpunkt des derzeitigen Interesses stehen Forschungen über den spezifischen Wirkungsmechanismus von Betulin gegen Krebszellen und deren gezielte Apoptose (= „programmierter Zelltod”, z. B. von geschädigten Zellen) unter Schonung von Nicht-Krebszellen durch Betulinsäure (Review: Hordyjewska et al. 2019)
Während die Apoptose bei gesunden Körperzellen durch Moleküle in der äußeren Membran der Mitochondrien (= energieliefernde „Kraftwerke” innerhalb von Zellen) verhindert wird, erhöht sich bei geschädigten Zellen die Membran-Durchlässigkeit. Dies ermöglicht das Eindringen u. a. von Cytochrom C in den Innenraum der Zelle, was Dies über eine Signalkaskade die Apoptose auslöst. Ein Charakteristikum von Krebszellen ist ihre Fähigkeit, die Apoptose zu deaktivieren und damit ihre eigene Zerstörung zu verhindern – wodurch sie ungebremst weiter wuchern können.
In diesen Ablauf eingreifende Krebstherapien stehen vor dem Problem, dass Krebszellen in der Lage sind, verschiedene Gegenstrategien zu entwickeln. Zielsetzung ist daher, Antikrebsmittel zu finden, die einerseits die Apoptose ganz gezielt ausschließlich von Krebszellen bewirken, andererseits gesunde Zellen vor Schädigung bewahren und zugleich die Resistenz-Entwicklung von Krebszellen verhindern. Eine von mehreren Möglichkeiten, die je nach Krebsart verschiedenen Blockaden der Apoptose in unterschiedlichen Stadien des Zellzyklus therapieren zu können, wird im Zusammenwirken von Betulinsäure mit Krebsmedikamenten gesehen. Betulinsäure (und auch Betulin) scheinen das Potential zu besitzen, in zahlreichen Krebszelllinien den Zelltod auszulösen oder einen Zellzyklusstillstand zu induzieren, d. h. die Zellen an der Teilung zu hindern.
Zur Behandlung von Hautwunden bei Erwachsenen wurde Betulin 2016 die europäische Zulassung als Medikament erteilt (2016 unter dem Namen „Episalvan®”). Betulin steht nachhaltig aus der holzverarbeitenden Industrie Nordeuropas im Maßstab von mehreren 100.000 t jährlich zur Verfügung (Scheffler 2017).
Auch Bitterklee Menyanthes trifoliata enthält in seinen unterirdischen Teilen erhebliche Mengen an freier Betuinsäure und bildet damit eine große Ausnahme, denn in Pflanzen ist dieser Inhaltsstoff sonst nur in geringer Menge vorhanden.
WARNHINWEISE
Birkenpollen sind ein sehr starkes Allergen, unter dem eine Vielzahl von Allergikern Jahr für Jahr mit „Heuschnupfen-Symptomen” zu leiden hat. Grund ist die hohe Zahl der sehr kleinen Birkenpollen, die mit dem Wind über große Entfernungen verbreitet werden (bis zu 10.00 Pollen pro Staubblatt = etwa 5 Millionen pro Kätzchen). In der Pollenflugsaison von Birken kommt es bei manchen Menschen zur Kreuzallergie mit Lebensmitteln (OAS = „orales Allergie-Syndrom“), vor allem beim Verzehr von Äpfeln, aber auch Nüssen, Steinobst und Sellerie. Zugleich können Kreuzallergien mit Pollen anderer Bäume/Pflanzen, z. B. Erle, Hasel oder Beifuß auftreten. Ursache einer Kreuzallergie – die bei 70 % der Birkenpollen-Allergiker auftritt – ist die Ähnlichkeit der chemischen Struktur von Eiweißverbindungen, die als Allergene wirken. Die Birkenpollen-Allergie hat in den letzten Jahren – besonders in Städten – stark zugenommen, was auf wärmere Lufttemperaturen mit Auswirkungen u. a. auf die Verfügbarkeit von Wasser, Nährstoffen und Bodenqualität zurückzuführen sein soll, wobei die heutige Birkenpollen-Saison rund 15 Tage früher als in den vergangenen Jahrzehnten beginnt und größere Pollenzahlen gemessen werden (Biedermann et al. 2018). Als weitere Ursache wird die Anlagerung der Birkenpollen an gas- oder teilchenförmige Schadstoffe in der Luft genannt. Derart „verschmutzte” Pollen sollen ein höheres allergenes Potential aufweisen (Schiavoni et al. 2017), wobei die Modifikation der Birkenpollen-Lipide durch Ozon eine Rolle spielen könnte (Zhu et al. 2018).
Birkenextrakt dient der Herstellung von Haarwasser gegen Schuppen und Haarausfall.
Ein von der EU zugelassenes Arzneimittel aus Birkenrindentrockenextrakt (10%) und Sonnenblumenöl (90%) ist Episalvan®. Der Trockenextrakt besteht zu 72 bis 88 % aus Betulin; enthalten sind zudem Betulinsäure, Lupeol und Oleanan-Derivate. Wasserstoffbrückenbindungen mit Triglyceriden bilden eine Gelstruktur („Oleogel-S10”) ohne Zusatz von Hilfs- oder Konservierungsstoffen. Die Anwendung erfolgt bei „oberflächlichen Hautwunden (Epidermis und obere Dermis) und Verbrennungswunden der Haut vom Grad IIa“ (d. h. mitteltiefe Wunden, „partial thickness wounds“) bei Erwachsenen (Scheffler 2017). Das Potential für allergische Sensibilisierung wird – mit Ausnahme bestehender Sonnenblumenkernallergie – als gering bezeichnet (Schwieger-Briel et al. 2017).
Traditionelle Verwendungen: Das aus den Blättern destillierte Öl nahm man äußerlich zur Wundheilung und Behandlung von Ekzemen und Schuppenflechte. Birkenteeröl dient der Leder-Konservierung und verleiht dem „Juchtenleder” seinen typischen Geruch. Birkenkohle mit Branntwein war ein Mittel gegen Durchfall und Ruhr. Durch 2–4 cm tiefes Anbohren des Baums gewonnener Birkensaft liefert ein Baum im Frühjahr (März bis Mai) rund 5–8 l Saft pro Tag. Er galt als Schönheits- und Stärke-Trank und wurde in früheren Zeiten als Heilmittel bei Debilität und Impotenz getrunken. Im Birkensaft enthaltener Birkenzucker (Xylit) wird als kalorienarmer Zuckeraustauschstoff verwendet (siehe unter „Tipps”).
GETRÄNKE
Aus Birkensaft lässt sich aufgrund des hohen Zuckergehalts „Birkenlimonade” herstellen. In nördlichen Ländern wird der zucker- und vitamin-C-reiche Birkensaft zu Wein vergoren („Birkenwein”) oder es wird Bier damit gebraut („Birkenbier”).
Traditionell getrunken wird der Birkensaft schon seit Jahrhunderten vor allem im Estland. Gewonnen wird er im April, wenn die Knospen noch geschlossen sind und die Bäume das Wasser aus dem Boden in die Krone pumpen. Man bohrt ein kleines Loch in die Rinde und steckt ein Röhrchen oder einen Schlauch hinein. Der recht schnell ausfließende Saft schmeckt frisch nach Zuckerwasser und Nüssen, wird jedoch nach längerem Stehen bitter. Um den Saftfluss zu beenden, wird das Loch wird mit Wachs, Harz oder einem Stückchen Holz verschlossen. Der Haupt-Erntemonat April wird in Estland auch „Mahlakuu” genannt, was „Pflanzensaft-Monat” bedeutet.
Birkenblättertee ist ein beliebtes Volksheilmittel, das gegen Rheuma, Gicht, Wassersucht, Nieren- und Blasensteinen, Blasenentzündungen und Hautkrankheiten helfen soll, harntreibend wirkt und zu „Entschlackungs-” und „Blutreinigungskuren” verwendet wird. Man nimmt 2 Esslöffel zerkleinerte Blätter auf 1 Liter kochendes Wasser, lässt 10 Minuten ziehen und seiht dann ab.
SPEISEN
Im Holz enthaltener Birkenteer sorgt für einen besonderen Geschmack beim Räuchern (geräucherter Lachs und Schafsfleisch aus Island). In schwierigen Zeiten wurde die hellgelbe, öl- und zuckerhaltige Innenrinde der Birke als Notnahrung gegessen. Gemahlen entstand aus „Birkenmehl” das „Birkenbrot” oder man schnitt die Rinde in dünne Streifen und kochte sie in Salzwasser, was dem Gericht die Bezeichnung „Birkenspaghetti” oder auch „Birkennudeln” eintrug. Der etwas fade Geschmack soll sich durch Verwendung von Gemüsebrühe statt Salzwasser leicht verbessern lassen; ansonsten seien diese Gerichte „allein zum Überleben” zu empfehlen.
In Island mischt man die getrockneten und zerriebenen Birkenblätter mit Salz, das dadurch würziger schmeckt und aufgrund geringeren Verbrauchs gesünder sein soll.
Anhänger einer ökologisch-nachhaltigen natürlichen Ernährungsweise haben die jungen Knospen und Blätter der Birke (wieder-)entdeckt und nutzen sie aufgrund „gesunder” Inhaltsstoffe (u. a. Flavonoide, Vitamine, Gerbstoffe) für zahlreiche Gerichte (Müsli, Salat, Gemüse, Saucen, Gewürz). Die im zeitigen Frühjahr zu sammelnden, etwas klebrigen Knospen werden von den Zweigen abgedreht; sie schmecken leicht nussig, während die jungen Blätter etwas bitter sind.
KOSMETIK
Mit Verwendung von Birkensaft werden Haarpflegeprodukte (Haarwasser, Shampoo, Spülung) hergestellt. An deren Stelle lässt sich auch Birkentee verwenden, der nach einer Haarwäsche gleichsam wie Haarspülung aufgetragen und einmassiert wird (mögliche Nebenwirkungen: siehe unter „Warnhinweise”). Das in der Birkenrinde enthaltene Haupttriterpen Betulin ist als emulgierender Zusatz in manchen Haarwaschmitteln enthalten. Birkenblattextrakte zeigten hautaufhellende und antioxidative Eigenschaften.
In einfacher Form lässt sich Birkenöl durch Zugabe von Birkenknospen in Olivenöl herstellen: Der Ansatz wird einen Monat bei Raumtemperatur stehen gelassen (ab und zu schütteln) und nach dem Absieben in ein dunkles Glas gefüllt. In der Kosmetikindustrie dient Birkenöl (neben Moschus, Styrax, Myrte, Landanharz) als Ausgangsstoff für Parfums mit Leder-Duft. Ihr Name („Russisch-Leder”) ist auf den russischen Gebrauch zurückzuführen, lederne Buchrücken mit Birkenöl einzureiben, um sie geschmeidig zu halten und vor Schadinsekten zu schützen.
TIPPS
Birkensirup lässt sich an Stelle von Zucker verwenden. Er enthält neben 2 % Traubenzucker den Zuckeralkohol Xylit, der als Zuckeraustauschstoff und Lebensmittelzusatzstoff (E 967) zugelassen ist. Seine Süßkraft entspricht in etwa der von Zucker, doch hat er rund 40 % weniger Kalorien (2,4 kcal/g bzw. 10 kJ/g). Xylit ist für Diabetiker geeignet (Insulinanstieg geringer als bei Saccharose) und soll kariesreduzierend wirken. Zur Herstellung von Birkensirup konzentriert man Birkensaft durch Einkochen auf 10 % seines ursprünglichen Volumens. Zur Haltbarmachung wird etwas Zucker hinzugefügt, bevor man ihn in eine Flasche abfüllt.
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Letzte Änderung: 7. Januar 2021
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: 15. Februar 2021
Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2020): Birke (Betula pendula, Betula pubescens) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in Brunnen/Schweiz: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).
Bildnachweise
• Illustration Betula pendula (syn. Betula verrucosa): aus Thomé (1883) [s. Lit.-Verz.)
• Ötzis Pfeilspitzen: Ursula Wierer, Simona Arrighi, Stefano Bertola, Günther Kaufmann, Benno Baumgarten, Annaluisa Pedrotti, Patrizia Pernter, Jacques Pelegrin, CC BY 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/4.0>, via Wikimedia Commons / https://commons.wikimedia.org/wiki/File:%C3%96tzi_Arrowhead_12.tif;
• Pastellgrüner Taburet Barhocker von Anastasiya Koshcheeva für Moya Image courtesy of Pamono & MOYA Birch Bark // Available at Pamono.ch; (Verwendung mit schriftlicher Genehmigung)
alle übrigen Fotos:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg
Zitierte Literatur
→ Standardwerke, Lehrbücher und weiterführende Literatur finden Sie im Literaturverzeichnis (home-Seite oder (http://www.kraeuterabc.de/literatur/)
Ashburner, K. & H. A. McAllister (2016): The genus Betula: a taxonomic revision of birches. Reprinted with corrections, 2016. – 432 S. (Kew Publishing, UK); ISBN : 9781842461419.
Biedermann, T. et al. (2019): Birch pollen allergy in Europe. – Allergy 74: 1237–1248; doi 10.1111/all.13758.
Hordyjewska, A. et al. (2019): Betulin and betulinic acid: triterpenoids derivatives with a powerful biological potential. – Phytochemistry Reviews 18: 929–951; doi.org/10.1007/s11101-019-09623-1.
Imhof, S. (2020): Nutzpflanzendatenbank der Universität Marburg: Betula pendula Roth (Betulaceae) – www.online.uni-marburg.de/botanik/nutzpflanzen/suche.html (abgerufen am 11.12.2020).
Rastogi, S. et al. (2015): Medicinal plants of the genus Betula — Traditional uses and a phytochemical – pharmacological review. – J. Ethnopharmacol. 159: 62–83; doi: 10.1016/j.jep.2014.11.010.
Scheffler, A. (2017): Entwicklung des neuen Phytopharmakons Episalvan (Betulin) zur Wundheilung. – Zeitschrift für Phytotherapie 38 (03): 100–106; doi: 10.1055/s-0043-114315.
Schiavoni, G. et al. (2017): The dangerous liaison between pollens and pollution in respiratory allergy. – Annals of Allergy, Asthma & Immunology 118 (3): 269–275; doi.org/10.1016/j.anai.2016.12.019.
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Thomé, O. W. (1883): Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz. – Bd. I–IV, ca. 1.200 S. mit 618 Tafeln; Gera (Zezschwitz).
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