Beinwell

  • Symphytum officinale
  • Gewöhnlicher Beinwell, Arznei-Beinwell, Beinwurz, Schwarzwurz, Große Wallwurz, Himmelsbrot, Speckwurz
  • (Fam. Boragin, Rauhblattgewächse)
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Kräuterbeschreibung

Den Gewöhnlichen Beinwell (Symphytum officinale) erkennt man an den aufrechten Stengeln, die durch das Herablaufen der Laubblätter bis zum nächstunteren Blattansatz geflügelt erscheinen. Die bis 1 m hohen Triebe sind hohl, verzweigt und wie auch die lanzettlichen Blätter mit weißen, abstehenden Borsten behaart.

Als ausdauernde Pflanze bildet der Beinwell eine ca. 30 cm lange und bis 3 cm dicke, verästelte Pfahlwurzel, weshalb er an den Standorten, an denen er sich angesiedelt hat, nur schwer auszurotten ist. Die Wurzel ist außen schwärzlich (Name: Schwarzwurz) und innen milchigweiß und sehr schleimig.

Von Mai bis Juli erscheinen hängende, röhrenförmige Blüten von bläulicher, rotvioletter oder weißlicher Farbe in gipfel- oder blattachselständigen Doppelwickeln. Oft blüht der Beinwell noch ein zweites Mal im August/September.

Die Früchte enthalten 4 einsamige Nüßchen (4,5 bis 5 mm lang) von grau- bis schwarzbrauner Farbe.

In Mitteleuropa ist der Beinwell mit 3 Unterarten vertreten: Symphytum officinale officinale hat schmutzigrotviolette bis fast zinnoberrote, selten weiße Blüten. Bei S. officinale uliginosum mit ähnlichen Blüten sind Stengel und Blätter fast kahl und die Blätter laufen nur halb am Stengel herab. S. officinale bohemicum besitzt schmalere Laubblätter und weißgelbe Blüten.

Verwandte Kräuter

Eine ähnliche Wirkung wie Symphytum officinale hat der mit diesem eng verwandte und besonders bei Vegetariern beliebte „Futter-Beinwell“, eine unter dem Namen „Komfrey“ oder „Comfrey“ bekannte Hybridform (Symphytum x uplandicum). In der älteren Literatur findet man unter dem Namen Komfrey (Comfrey) auch S. peregrinum oder die Bastarde zwischen S. officinale und S. asperum oder S. asperum alleine. In neuerer Zeit wird der Komfrey in populären Kräuterbüchern auch als Heilpflanze angepriesen. Er bildet bis zu 2 m hohe Triebe, an denen die Blätter nur höchstens bis zur Hälfte herablaufen. Die Blütenfarbe variiert von Purpur bis Blau. Wegen seines hohen Eiweißgehalts gilt er in der Viehzucht als ausgezeichnetes Futtermittel, besonders für Schweine, aber auch für Kühe, Pferde und Hühner.
Zur Familie der Rauhblattgewächse (Boraginaceae) gehören außer dem Beinwell auch die mehr oder weniger zu Heilzwecken verwendeten einheimischen Arten Vergißmeinnicht (Myosotis), Lungenkraut (Pulmonaria officinalis) und der als Küchenkraut bekannte Borretsch (Borago officinalis, Gurkenkraut) sowie die mediterrane Färber-Alkanna (Alkanna tinctoria).

Vorkommen

Herkunft und Verbreitung

Der Beinwell ist in Europa nördlich des Mittelmeergebietes (seltener in Scandinavien), in der Türkei und in Russland bis zum Ural sowie in Asien heimisch. Anzutreffen ist er von den Niederungen bis in mittlere Gebirgslagen. In Nordamerika wurde er bereits im 17. Jahrhundert eingeführt und hat sich dort weit verbreitet.

Standort

Die Ansprüche des Beinwells an den Standort sind gering. Er kommt in Höhenlagen bis 2000 m vor und liebt feuchte bis nasse, nährstoff- und basenreiche Böden in Wiesen, an Waldrändern, Gräben und Ufern. Sonnige und halbschattige Standorte sowie mittlerer, humoser Lehmboden werden bevorzugt besiedelt.

Kultivierung

In Mitteleuropa wird der Beinwell vor allem als Futterpflanze angebaut. Symphytum-Drogen werden im Handel nur selten angeboten und verlangt. Ein Anbau als Arzneipflanze erfolgt daher nur gelegentlich.

Brauchtum

Die heilende Wirkung des Beinwells ist seit dem Altertum bekannt. Dioskurides (1. Jh. n. Chr.) verwendete das Kraut gegen Blutspucken, bei inneren Abszessen und offenen Wunden.
Auch in mittelalterlichen Kräuterbüchern wird die Anwendung des Beinwells bei Geschwüren und Knochenverletzungen empfohlen. Hildegard von Bingen (1098-1179) beschreibt die Pflanze unter dem Namen „Consolida“ (von lat. „consolidare“ = befestigen). Sie warnt jedoch vor übermäßigem Verzehr des Krautes. „So heilt der Beinwell, wenn er nicht in rechter Weise gegessen wird, die Geschwüre äußerlich, und allerlei Fauliges schickt er nach innen.“
Vermutlich Kreuzritter brachten den Beinwell auch nach Großbritannien, wo er von Ärzten gleichfalls zur Wundheilung eingesetzt wurde. Aus den Blättern bereitete man einen Tee, der bei Bronchitis, Magenleiden, Durchfall und Gicht helfen sollte. Die adstringierende Wirkung des Beinwells diente auch den nicht ganz ehrlichen Frauen. Sie pflegten vor der Heirat ein Beinwellbad zu nehmen, um den Eindruck zu erwecken, noch Jungfrau zu sein.

Wissenswertes

„Symphytum“ leitet sich vom griechischen „symphyein“ (= zusammenwachsen) ab. Im Altertum gebrauchte man diese Bezeichnung für mehrere Pflanzen, die gegen Knochenbrüche verwendet wurden. Der englische Begriff „Comfrey“ stammt aus dem Mittelenglischen und bezieht sich auf den altfranzösischen Ausdruck „confire“ (= bewahren, in gutem Zustand erhalten). Die deutschen Namen „Beinwell“ und „Wallwurz“ (Bein = Knochen; well von „wallen“ = zusammenheilen) haben die gleiche Bedeutung.

Eigenschaften

Wesentliche Inhaltsstoffe

Hauptwirkstoff des Beinwells ist das Allantoin. In den Blättern wurde eine Konzentration von etwa 0,45 bis 1,3 % ermittelt; in der Wurzel sind von Januar bis März 0,6 bis 0,8 % enthalten, in den Folgemonaten geht der Gehalt dann immer weiter zurück). Weitere Wirkstoffe sind Gerbstoffe (Rosmarinsäure) und geringe Mengen Alkaloide bzw. Glycoalkaloide (Symphytocynoglossin, Consolidin, Consolicin), außerdem Symphytin und Echimidin. Toxikologisch wichtig sind vor allem die Pyrrolizidin-N-oxide. Als Gehalt an 1,2-ungesättigten Pyrrolizidin-Alkaloiden wurden in getrockneten Blättern ca. 1,3 bis 1,8 g/kg (= 1300 bis 1800 ppm) und in getrockneten Wurzeln 2,9 bis 3,8 g/kg (= 2900 bis 3800 ppm) ermittelt.

Eigenschaften, Wirkungen

Die Inhaltsstoffe des Beinwellkrauts und seiner Blätter wie auch der Wurzel wirken entzündungshemmend und fördern die Durchblutung des Gewebes. Bei der Wurzel ist anerkannt, daß deren Wirkstoffe auch die Kallus-Bildung (= Narbenbildung, Knochenheilung) fördern und zellteilungshemmend wirken.

Forschung

Schon bevor die Medizin über Antibiotika verfügte, war die bakterizide und wundheilungsfördernde Wirkung von Fliegenlarven bekannt und von großer Bedeutung, z. B. bei den Aborigines und Mayas. Im ersten Weltkrieg  erkannte ein Dr. William Baer an larvenbefallenen Wunden verletzter Soldaten, dass Infektionen zurückgegangen waren und sich neues Gewebe gebildet hatte. 1931 veröffentlichte er eine Publikation über die Behandlung infizierter Wunden mit eigens dafür gezüchteten Fliegenmaden. Als einer der Gründe für den Heilungserfolg wurde später der im Madensekret – neben Harnstoff und Ammoniak – enthaltene Wirkstoff Allantoin ermittelt – welcher auch in der Wurzel und den Sprossteilen des Beinwells enthalten ist und hier ebenso wie das Madensekret die Wundheilung verbessert (Nachteil: die Pflanze enthält auch Pyrrolizidinalalkaloide, siehe Warnhinweise). Bei der Madentherapie sind noch viele weitere Faktoren wirksam, u. a. die mechanische Reizung des Wundgewebes, Abtötung von Krankheitserregern (z. B. Escherichia coli, Salmonella enterica, Staphylococcus aureus) sowie ein „Spüleffekt” durch stärkere Wundsekretion und Stimulierung des Wachstums von Fibroblastenkulturen (= Bindegewebe in der Haut) (Review: Raposio et al. 2017; Diaz-Roa et al. 2018).

Warnhinweise

Allein zur äußeren Anwendung! Auch diese darf nur auf intakter Haut erfolgen. Bei Schwangerschaft sollte Beinwell nur nach Rücksprache mit einem Arzt verwendet werden.

In den Arten Symphytum officinale (Gewöhnlicher Beinwell) und Symphytum x uplandicum (Komfrey oder Comfrey) wurden mindestens 8 Alkaloide nachgewiesen, die alle zur Gruppe der toxischen (= giftigen) Pyrrolizidinalalkaloide gehören. Bei Langzeitstudien an Ratten kam es zu einer hohen Rate an Lebertumoren und einer erhöhten Rate an Blasenkrebs. Hierfür verantwortlich ist die karzinogene (= krebserregende) Wirkung des Hauptalkaloids Symphytin, was sich ebenfalls in Langzeitstudien bestätigte. Eine Tasse Beinwell-Tee kann bis zu 8,5 mg Alkaloide enthalten! Auch bei der äußeren Verwendung kommt es zu einer – wenn auch nur geringen – Aufnahme von Giftstoffen. Dies ist der Grund für die Empfehlung, Beinwell-Zubereitungen nur auf der intakten Haut und nur in der empfohlenen Dosierung anzuwenden.

Anwendung

Anwendungsgebiet

Symphytum officinale Gewöhnlicher Beinwell, Arznei-Beinwell, Beinwurz, Schwarzwurz, Große Wallwurz, Himmelsbrot, SpeckwurzArzneidrogen:
Symphyti herba/-folium (Beinwellkraut/-blätter) und Symphyti radix (Beinwellwurzel)
Kraut, Blätter und Wurzel des Beinwells verwendet man bei Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen.

Anwendungsart

Symphytum officinale Gewöhnlicher Beinwell, Arznei-Beinwell, Beinwurz, Schwarzwurz, Große Wallwurz, Himmelsbrot, SpeckwurzNur zur äußeren Anwendung nimmt man die zerkleinerten krautigen Teile und die Wurzel, frisch oder getrocknet. Bei Zubereitungen aus der Wurzel werden auch Extrakte, Frischpflanzenpreßsaft für halbfeste Zubereitungen und Kataplasmen (= heiße Breiumschläge) verwendet. Industriell hergestellter Beinwell-Extrakt ist dem jedoch vorzuziehen, denn er ist mittlerweile frei von schädlichen Pyrrolizidin-Alkaloiden. Auf die zugesetzten Konservierungsmittel (z. B. „Parabene“ = Para – Amino – Benzoesäure – Ester) reagieren manche Menschen allergisch. Nicht auf verletzte Hautbereiche auftragen.

Homöopathie

Symphytum officinale Gewöhnlicher Beinwell, Arznei-Beinwell, Beinwurz, Schwarzwurz, Große Wallwurz, Himmelsbrot, SpeckwurzDas Homöopathikum Symphytum wird aus der frischen, vor der Blüte ausgegrabenen Wurzel hergestellt. Anwendungsgebiete sind schlecht heilende Wunden, Knochenbrüche und stumpfe Verletzungen sowie bei Durchblutungsstörungen, Gelenkschmerzen und Arthrose. Als Dosierung wird meist die 6. Potenz (D6) mit 3 bis 5 x täglich 5 bis 10 Tropfen angegeben, doch innerlich kaum mehr verwendet und empfohlen. Als Essenz für die äußere Anwendung auf der intakten Haut nimmt man auch das frische, blühende Kraut (Dosierung und Warnhinweise beachten).

Produkte

Speisen

In einigen Büchern sind auch Beinwell-Rezepte zu finden. Besonders von Vegetariern werden junge Sprosse ähnlich wie Spargel und junge Blätter als Gemüse verzehrt, außerdem nimmt man den Beinwell für Salate, Soßen und in Suppen. Aufgrund der beschriebenen Gesundheitsrisiken ist von einer solchen Verwendung dringend abzuraten!

Kosmetik

Im Handel werden verschiedene Salben und Cremes mit Beinwell als Inhaltsstoff angeboten.

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Letzte Änderung: 3. März 2018
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: z. Z. in Arbeit (2021)

Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2018): Beinwell (Symphytum officinale) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in Brunnen/Schweiz: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).


BILDNACHWEISE UND ZITIERTE LITERATUR

Bildnachweise

• Fliegenlarve: Pavel Krok, CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0), via https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fliegenlarve.jpg

alle übrigen Fotos:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg

Zitierte Literatur
→ Standardwerke, Lehrbücher und weiterführende Literatur finden Sie im Literaturverzeichnis (home-Seite oder (http://www.kraeuterabc.de/literatur/)

Diaz-Roa, A. et al. (2018): Sarconesin: Sarconesiopsis magellanica Blowfly Larval Excretions and Secretions With Antibacterial Properties. – Front Microbiol. 9: 2249; doi: 10.3389/fmicb.2018.02249.

Raposio, E. et al. (2017): Larval Therapy for Chronic Cutaneous Ulcers: Historical Review and Future Perspectives. – Wounds 29 (12): 367–373;